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Seit stark taillierte Carving-Schi in Mode gekommen sind, hat die Anzahl an Drehbrüchen nach Schiunfällen stark zugenommen. Der Tiroler Unfallchirurg Prim. Dr. Helmut Breitfuß erklärt im Interview mit mymed.cc die Zusammenhänge. Das Interview führte Peter Seipel Mymed: Herr Dr. Breitfuß, als Unfallchirurg im Krankenhaus Kufstein haben Sie derzeit Hochsaison. Aus welcher Gruppe von Wintersportlern kommen die meisten Unfallopfer? Breitfuß: Die meisten unserer Unfall-Patienten sind immer noch die Schifahrer. Gleich danach kommen die Snowboarder, dann die Rodler und Langläufer. Es kommt aber auch vor, dass sich jemand Aprés-Schi ein Bein bricht, weil er vielleicht nicht mehr ganz sicher auf seinen Beinen unterwegs war und auf dem Eis ausgerutscht ist. Mymed: Mit welchen Verletzungen ist bei den Schifahrern zu rechnen? Breitfuß: Bevor die Sicherheitsbindungen erfunden wurden, war der sogenannte Schuhrandbruch recht häufig. Mit den Sicherheitsbindungen hat sich das Verletzungsspektrum mehr zu den Bändern hin verlagert. Dominant waren bis vor Kurzem Knieband- und Kreuzbandrisse. Seit zwei Jahren beobachten wir nun eine starke Zunahme der Anzahl an Drehbrüchen des Unterschenkels. Meiner Ansicht nach könnte das auf die neuen Carving-Schi zurückzuführen sein. Viele Schifahrer mit durchschnittlichem Können fahren heute auf professionellen Rennschiern, die keinen Fahrfehler mehr verzeihen. Kommt dazu eine Überschätzung des eigenen Könnens und konditionelle Schwächen, ist eine Verletzung fast vorprogrammiert. Mymed: Was macht den Carving-Schi gefährlicher als den normalen Alpinschi? Breitfuß: Durch die Taillierung ist der Carvingschi wesentlich rasanter als ein herkömmlicher Alpinschi. Bei Schwüngen und in engen Kurven wirken dadurch auf die Knochen wesentlich stärkere Rotationskräfte ein. Beim Verschneiden oder Versetzen der Schi kann die Belastung auf das Schienbein so stark ansteigen, dass es zum Bruch kommt. Natürlich hängt die Belastung auch vom Fahrstil ab. Besonders die rasanten, übermütigen Fahrer sind gefährdet. Wer im Rahmen seiner Verhältnisse fährt, ist nicht mehr gefährdet als Fahrer auf konventionellen Alpinschiern. Mymed: Wie lassen sich derartige Überlastungen der Knochen vermeiden? Breitfuß: Ein Schifahrer sollte sein Können vernünftig einschätzen, wenn er sich neue Schi kauft oder ausleiht. Wer kein Spitzenfahrer ist und außerdem nicht die allerbeste Kondition hat, sollte lieber nur auf leicht taillierte Carvingschier steigen. Die stark taillierten Bretter sind ziemlich giftig beim Fahren und nur etwas für echte Könner. Ein Durchschnittsfahrer kann von den Reaktionen dieser Schier leicht überrumpelt werden. Die Hersteller von Schibindungen sollten außerdem auf das neue Verletzungsrisiko Rücksicht nehmen und Bindungen anbieten, die schneller auf Rotationsbelastungen reagieren und rechtzeitig auslösen. Mymed: Wie zeitaufwändig sind Therapie und Rehabilitation nach einem Drehbruch? Breitfuß: Die Zeiten des Eingipsens sind Gott sei Dank vorbei. Mit einem Gips war man früher drei bis vier Wochen lahmgelegt, die Muskeln haben sich zurückgebildet, die Gelenke sind steif geworden. Heute operieren wir die meisten Brüche und setzen zur Stabilisierung einen Marknagel aus Titan in den Knochen ein. Schon nach fünf Tagen stationärem Aufenthalt können die meisten Patienten ihr Bein wieder belasten. Nach eineinhalb bis zwei Jahren wird der Marknagel wieder entfernt. Die Heilung eines Drehbruchs verläuft meistens sogar günstiger als nach einem Kniebandriss, der selten zu 100 Prozent wieder gut wird. Mymed: Herr Dozent, wir danken für das Gespräch!