Columbia/Roslin/Boston - "Wir haben als Erste Schweine gentechnisch so verändert, dass ihr Gewebe vom menschlichen Immunsystem nicht als fremd abgestoßen wird", berichtet Julia Greenstein (Immerge Biotherapeutics, Columbia) dem STANDARD. "Wir können als Erste berichten, dass wir solche Schweine geklont haben", zieht PPL Therapeutics nach, jene Firma in Roslin, die das Schaf "Dolly" geklont hat: "Damit ist der Weg beendet, den wir mit 'Dolly' begonnen haben."Mit diesem Fotofinish geht eines der härtesten Rennen zu Ende: jenes um Schweine, die als Transplantatspender für Menschen verwendet werden können ("Xenotransplantation"). Begonnen hat es in den 90er-Jahren, als Wall-Street-Analytiker einen Markt von sechs Milliarden Dollar (6,643 Milliarden EURO) für das Jahr 2010 prognostizierten. Aber zunächst galt es, das Abstoßungsproblem zu überwinden: Transplantate über die Artgrenze hinweg lösen eine besonders heftige Immunabwehr aus, die "hyperakute Zurückweisung", die das Fremdgewebe rasch zerstört. Zur Abhilfe versucht man zwei Strategien: Zum einen "vermenschlicht" man Schweine - man stattet sie mit einigen humanen Genen aus -, zum anderen schaltet man bei Schweinen ein Gen aus, das ihr Gewebe für das Immunsystem als fremd kenntlich macht. Diesen Weg sind PPL und Immerge gegangen, beide haben das "Dolly"-Verfahren benutzt: Das Schaf wurde nicht des Klonens wegen geklont, sondern um höchst exakt einzelne Gene zu manipulieren. Furcht vor Epidemie Die Nase zeitlich leicht vorn hat Immerge, diese Schweine werden im aktuellen Science beschrieben, die von PPL erst auf der Firmenhomepage. Und die Nase technisch weit vorn hat wieder Immerge mit ganz besonderen Schweinen, Miniaturschweinen - "mit 150 Kilo entsprechen sie eher dem Menschen" (Greenstein) -, die das zweite Problem der Xeno- transplantation vermeiden sollen, die mögliche Auslösung einer Epidemie durch die Transplantate. Schweine haben bestimmte Viren (PERVs), die ihnen nichts tun, von denen man aber fürchtet, dass sie in Menschen gefährlich werden können, im Worst Case wie HIV, das von Affen auf Menschen gekommen ist. Deshalb hat einer der Vorkämpfer der Xenotransplantation, der Österreicher Fritz Bach (Harvard Medical School, Boston), 1998 zu einem Moratorium aufgerufen. Aber die Miniaturschweine haben die Besonderheit, dass ihre Viren in Zellkultur nicht auf menschliche Zellen übergehen, darin liegt der große Schritt von Immerge. "Ich bin sehr aufgeregt und begeistert über diese Miniaturschweine und warte dringend auf die näheren Daten", erklärt Bach gegenüber der STANDARD, "das ändert aber nichts daran, dass ich vor Einführung dieser Technik eine breite gesellschaftliche Debatte sehen will." Die will auch der Vatikan, der die Forschung ausdrücklich begrüßt. Zeit für die Debatte bleibt noch, die Firmen rechnen mit etwa fünf Jahren: In den ersten Transplantationen auf Versuchsaffen bei Immerge war die Lebensdauer sehr gering, die Tiere starben nach einem Monat. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 4. 1. 2002)