Bozeman/Innsbruck/Davos/ Wien - Angesichts der angespannten Lawinensituation geben neue Aufschlüsse über mikroskopische Abläufe in Schneemassen Anlass zur Hoffnung. Wissenschafter der Montana State University fanden spezifische Bindungsstrukturen zwischen den Eiskristallen, die für Stabilität oder Instabilität von Schnee entscheidend sind. Dies könnte für neue Computermodelle zur verbesserten Vorhersage von Lawinen dienen.

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Mit einem Elektronenmikroskop beobachteten die Forscher lamellenartige Strukturen an den Verbindungsstellen zwischen den Kristallen, ähnlich wie bei Kühlern von Motoren. Die Lamellen vergrößern die Oberfläche, wodurch Wasserdampf leichter entweicht und sich an anderer Stelle niederschlagen kann.

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So kommt es zu mikroskopischen Massenverschiebungen zwischen benachbarten Kristallen, die die Verbindungen und damit die gesamte Schneedecke festigen. Frisch gefallene Flocken bilden zunächst eine lockere Masse. Wenn neuer Schnee hinzukommt, wird sie aber zusammengedrückt. Lawinenforscher nennen diese Verfestigung "Sintern".
Komplexe Mikrowelt
Die Vorgänge in der Schneedecke sind so komplex, weil sich alle drei Phasen des Wassers - gasförmig, flüssig und fest - ständig ineinander umwandeln. "Dass es Massentransporte zwischen einzelnen Kristallen geben muss, die die Stabilität der Bindungen erhöhen, war bekannt", erläutert Paul Föhn vom Eidgenössischen Institut für Schnee- und Lawinenforschung in Davos.

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Bisher habe es aber nur Vermutungen darüber gegeben, was sich an den Rändern der Eiskristalle wirklich abspielt. "Jetzt hat man gesehen, wie der Massentransport im Detail funktioniert."

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Nun gilt es herauszufinden, unter welchen Bedingungen und in welcher Geschwindigkeit der Prozess vor sich geht. Wenn jedoch auch die Detailumstände erfasst seien, ist Lawinenforscher Föhn zuversichtlich, "könnten aus den Erkenntnissen neue Modellierungs- und Berechnungsmethoden resultieren". (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 3. 1. 2002)