Wirtschaft
Gewerbe und Handwerk: 30.000 Jobs wackeln
Stimmung in den Betrieben am Tiefpunkt - Wirtschaftskammer urgiert steuerliche Anreize
Wien - Die Stimmung im heimischen Gewerbe-, Handwerks- und
Dienstleistungsbetriebe ist im vierten Quartal des vergangenen Jahres
auf den tiefsten Wert seit 1995 gefallen. Wegen der anhaltend
schlechten Stimmung gebe es bei den Betrieben "die Tendenz, den
Mitarbeiterstrand kritisch zu überprüfen", warnte Georg Toifl, Obmann
der Wirstchaftskammer-Sektion Gewerbe, Handwerk, Dienstleistung, am
Donnerstag. Konkret könnten in den rund 85.000 österreichischen
Betrieben des Sektors 5 Prozent des Personals durch verschiedene
"Restrukturierungsmaßnahmen" abgebaut werden, als besonders gefährdet
gelten "baunahe" Jobs. Dies würde den Verlust von 30.000 Stellen bedeuten. Toifl forderte
zusätzliche steuerpolitische Maßnahmen zur Belebung der Nachfrage -
unter anderem auch die teilweise Wiedereinführung des im Zug der
Budgetkonsolidierung gestrichenen Investitionsfreibetrags.
Stimmung auf Rekordtief
Ein Blick auf das vom Institut für Gewerbe- und Handelsforschung
(IfGH) quartalsweise erhobene Stimmungsbarometer zeigt, dass im 4.
Quartal 2001 die Stimmung auf einen langjährigen Tiefstand gerutscht
ist: Gegenüber dem Endquartal 2000 ist der Stimmungsbarometer in den
vergangenen drei Monaten um 23 Punkte gefallen. Der Index berechnet
sich aus dem Saldo aus positiven und negativen Beurteilungen der
Geschäftslage.
Besonders stark fiel der Rückgang in den
Branchen Chemie/Kunststoff (- 48 Punkte) sowie Druck und Papier (- 33
Punkte) aus. Im letzten Quartal mussten auch die bisher relativ
resistenten EDV-Dienstleister herbe Rückgänge hinnehmen. Leicht verbessert hat sich die Situation laut IfGH lediglich im
Bereich "Werbung und Marktkommunikation", was auf die Werbemaßnahmen
wegen der Euro-Einführung zurückgeführt wird. Negativ sind die Erwartungen auch für das laufende 1. Quartal
2002. Trotz Rückgängen noch relativ gut fallen die Erwartungen bei
den konsumgüternahen Branchen aus: Hier halten sich positive und
negative Erwartungen die Waage. Ein deutliches Übergewicht der
Pessimisten gibt es dagegen bei den investitionsgüternahen Branchen.
Wirtschaftskammer fordert Maßnahmen
Um die Konjunktur zu beleben und den sich in den Personalplänen
der Unternehmen abzeichnenden Arbeitsplatzabbau im Rahmen zu halten,
forderte die Spitze der Wirtschaftskammersektion Maßnahmen der
öffentlichen Hand: Zusätzlich zu den am letzten Konjunkturgipfel
beschlossenen Maßnahmen solle es wieder Investitionsfreibeträge geben
- etwa für die arbeitsintensiven Sanierungsmaßnahmen im Hochbau.
Weiters urgierten Toifl und Sektionssyndikus Helmut Heindl
Entlastungen bei der Unternehmensbesteuerung, etwa die Halbierung des
Steuersatzes auf nicht entnommene Gewinne.
Öffentlicher Auftragsbestand am Tief
Als geradzu "feindlich" sieht Toifl die Vergabepolitik der öffentlichen Hand. "In den
Ausschreibungen werden oft Dinge verlangt, die KMU nicht in der Lage
sind zu erbringen. Als Beispiel führte Toifl die bundesweite Ausschreibung
der Reinigungsarbeiten durch das Finanzministerium an.
Verglichen mit 1994 hat sich der durchschnittliche öffentliche
Auftragsbestand in Handwerks- und Gewerbebetrieben halbiert, hat das
IfGH erhoben. Mit 1,3 Arbeitswochen habe der öffentliche
Auftragsbestand im 4. Quartal 2002 ein "historisches Tief erreicht".
"Basel II"
Wenig Gutes erwarten sich die Gewerbe-Vertreter auch von dem
"Basel II"-Abkommen, das ab 2005 die Kreditvergabe neu regeln soll.
Dass die kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) ein besonderes
Ausfallsrisiko für die Banken darstellten, stellt die Branche in
Abrede. Argument: 2000 habe es bei knapp 2.600 Insolvenzen Passiva
von 36,8 Mrd. S (2,7 Mrd. Euro) gegeben. Unternehmen mit einer
Umsatzsumme von bis zu 10 Mill. S (727.000 Euro) seien dabei aber nur
für 15 Prozent der Gesamtverbindlichkeiten verantwortlich. Es gebe klare Signale aus der Kreditsektion der Wirtschaftskammer,
dass "Basel II"-Vorschriften - so wie sie heute diskutiert werden -
die Kreditaufnahme schwieriger und teurer machen würden. Dies gelte
in besonderem Maß auch für Unternehmensgründungen, unterstrich der
Sektionsobmann.(APA)