Finanzen & Börse
Euro-Skepsis in Belgrad: Lieber Dollar und Franken für die Mark
Angst vor Geldwäschern kursiert
Belgrad - "Was soll denn das sein?",
wunderte sich in einem Laden
im Zentrum Belgrads ein Verkäufer, als ein Kunde versuchte mit dem Euro zu bezahlen.
Neugierig und mit einer gewissen Abneigung starrte er
die wildfremde Währung an.
Bei ihm könne man mit der guten alten D-Mark bezahlen,
meinte der Verkäufer entschlossen, und natürlich mit
dem Dinar, aber nicht mit diesen "komischen" Scheinen.Von einer Euro-Euphorie ist
in Serbien nichts zu spüren.
Für die Medien ist der Euro ein
Nebenthema, die meisten
Menschen sind misstrauisch,
ungenügend informiert und
fragen sich, ob sie lieber ihre
im Strohsack versteckten DM
in Dollar oder Schweizer
Franken umtauschen sollten.
2.500 Wechselstuben
Die deutsche Bundesbank
geht davon aus, dass sich in
den Staaten des ehemaligen
Jugoslawiens rund neun Milliarden DM befinden. In Serbien sind über 2500 Wechselstuben für den Übergang auf
den Euro vorbereitet. Die Provision für den Umtausch in
den Euro von 0,9 Prozent kann man umgehen, indem man
sein Geld in Banken anlegt.
Nach der jahrelangen wilden
Inflation hat die Bevölkerung
jedoch völlig das Vertrauen in
einheimische Banken verloren. Massenhaft gehen die
Leute deshalb in die für das
"große Geschäft" bestens vorbereitete Raiffeisenbank.
Offizielles Zahlungsmittel in Montenegro
Im Gegensatz zu Serbien hat
die zweite jugoslawische Teilrepublik Montenegro ab
1. Jänner die DM als offizielles
Zahlungsmittel durch den Euro ersetzt. Mit einem Flugzeug
aus Deutschland kamen am 18. Dezember die ersten 30
Millionen Euro nach Montenegro. Fünfhundert-Euro-
Scheine waren nicht dabei,
denn ein Durchschnittsgehalt
in der kleinen Adria-Republik
beträgt kaum 100 Euro.Die montenegrinische
Regierung strebt die Unabhängigkeit an und hat den jugoslawischen Dinar längst abgeschafft.
Auch im Kosovo, der für
seine Loslösung von Serbien
kämpft, gilt nach der DM nun
der Euro als die offizielle
Währung. Wie auf dem ganzen
Balkan wird auch in Pristina
befürchtet, dass der Übergang
zum Euro für Geldwäscher das
"Geschäft des Jahrhunderts"
werden könnte.
(Andrej Ivanji, DER STANDARD, APA, Printausgabe 4.1.2001)