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Dass sie mit der Gründung der Gesundheitsplattform "Frauen für Frauen" - die für bessere Behandlung von Patientinnen und gegen männliche Dominanz in der Medizin kämpft - ihren Kollegen gewaltig auf den Schlips getreten ist, war zu erwarten. Was der Gleichbehandlungsbeauftragten der Medizinischen Fakultät Wien aber schon ziemlich wurscht ist. Gabriele Fischer eckt an. Seit Jahren. Dabei zählt Streitsucht nicht zu den Charaktereigenschaften der an der Uni Wien aus- und an der Washingtoner Universität fortgebildeten Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie. Doch seit 1994, seit die in Bad Mitterndorf im Salzkammergut geborene reisefreudige Theaterliebhaberin die Drogenambulanz am Wiener AKH leitet, kann sie nicht anders - aus ihrem fachlichen Verständnis heraus. Ihre Kontrahenten werten das als Sturheit und Kompromisslosigkeit, ihre Mitstreiterinnen als Engagement und Konsequenz. Für Fischer selbst ist es ein "Versuch, nicht korrumpierbar zu sein. Ich muss jedoch zugeben, dass ich schon sehr impulsiv bin. Aber ich bleibe meinen Werten treu." In Bezug auf Drogenpolitik ist die Stadt Wien für die begeisterte Skifahrerin, die derzeit Winterurlaub in Saalbach macht, etwa "ein Paradebeispiel dafür, wie etwas nicht funktionieren kann, wenn es politisch zentralistisch organisiert wird". Und den meisten niedergelassenen ÄrztInnen spricht sie die fachliche Kompetenz zur Behandlung von Suchtkranken ab. Die langjährige begeisterte Fahrerin eines Alfa 156 - "ein schrecklicher Wagen, bei 130 km/h habe ich ein Rad verloren" - weigert sich auch noch hartnäckig, das Drogenproblem zu ideologisieren. Fischer, die Zivilkleidung dem sterilen weißen Ärztekittel als Arbeitskleidung vorzieht, geht stattdessen pragmatisch an die Sache heran: Suchtkranke sind keine Kriminellen, sondern chronisch Kranke, die man lange, vielleicht ein Leben lang, therapieren muss. Und Frauen sind dabei völlig anders zu behandeln als Männer, beharrt die allein erziehende Mutter von drei Söhnen im Alter von neun, 13 und 16 Jahren, die sich bei jedem ÄrztInnenkongress erneut darüber aufregt, dass keine Kinderbetreuung angeboten wird, auf geschlechtsspezifische Therapieeinrichtungen. Solche hat die 41-Jährige auch in ihrer Ambulanz errichtet. Über deren Erfolge bei der Nikotinentwöhnung für Frauen oder Suchtbehandlung von Schwangeren schreibt Fischer dann in internationalen Fachmagazinen wie Addiction. Zusätzlich betreibt sie mit einer Juristin den Verein "Up-Stream" in Wien, wo Suchtkranke und scheidungswillige Eheleute betreut werden. Bleibt ihr noch Zeit, liest sie gern. Oder sie ist für die Weltgesundheitsorganisation (WHO) oder den Europarat unterwegs - als Konsulentin für Frauengesundheit. DER STANDARD, Print-Ausgabe vom 4.1.2002