Chicago - Auch bei mehrfach abgesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen kann Skepsis nicht schaden. Dies zeigte sich einmal mehr - diesmal sogar bei einem der ältesten Modellorganismen der Genforschung, bei der Fruchtfliege Drosophila melanogaster.Ihr winziges Chromosom vier ist nämlich nicht bei allen Individuen identisch, fanden nun Forscher der Universität Chicago unter der Leitung von Manyuan Long mit Staunen heraus. Das Chromosom variiert in mehreren seiner Regionen. "Das bringt eine klassische Überzeugung der Genetik und Evolution ins Wanken, nämlich den Hang der natürlichen Selektion, Varianten von nah verbundenen Genen zu eliminieren", erklärt der Forscher. Weltweit nachgespürt Longs Erkenntnis über die vermeintliche Erkenntnis von Generationen von Genetikern, zurück bis in die Lehrbücher der 30er-Jahre, ist das Resultat von weit reichenden Untersuchungen: Sein Forscherteam analysierte Fruchtfliegenpopulationen aus der ganzen Welt. Ein dabei neu entdecktes Gen mit dem schönen Namen Sphinx zeigte dann die Variationen, die es gar nicht geben dürfte. (rosch, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 5./6. 1. 2002)