STANDARD-Mitarbeiter Gerhard Mumelter aus Rom

Als Außenminister Renato Ruggiero am Samstag gegen 20 Uhr den römischen Chigi-Palast betrat, war für politische Beobachter klar, dass ein politischer Paukenschlag bevorstand. Denn am Vorabend des Epifania-Feiertags herrscht für gewöhnlich Stillstand in Italiens Politik.

Ministerpräsident Silvio Berlusconi hielt sich in seiner Villa an der Küste auf. Es war sein Staatssekretär Gianni Letta, der mit Ruggiero das Kommuniqué formulierte, das den Abschied des Außenministers ankündigte. Die Trennung erfolge "in beiderseitigem Einvernehmen und in gegenseitiger Wertschätzung". Es war der erste Rücktritt eines Ministers seit dem Wahlsieg Berlusconis im Mai 2001.

"Es gab keine andere Lösung mehr", kommentierte Industrieminister Antonio Marzano lakonisch den Rücktritt. Ruggieros Schritt setzt den Schlussstrich unter eine Serie von Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Außenminister und den europakritischen Ministern des Kabinetts Berlusconi. Zuletzt hatten sich Verteidigungsminister Antonio Martino, Wirtschaftsminister Giulio Tremonti und der für den Föderalismus zuständige Minister Umberto Bossi von der Lega Nord in der Öffentlichkeit kritisch zum Euro geäußert. Mit wachsendem Unverständnis verfolgte Ruggiero auch Berlusconis Auftritte in Brüssel.

Ursprünglich war für Dienstag noch ein klärendes Gespräch zwischen dem Außenminister und seinem Regierungschef geplant. Als jedoch Berlusconi in einem Interview mit der Tageszeitung La Repubblica darauf verwies, dass allein er die Richtlinien der Außenpolitik bestimme, sah Ruggiero keinen Grund mehr zu bleiben.

"Es gibt keine Basis mehr"

"Ich hab mit dieser Mehrheit nichts mehr gemein. Es gibt keine gemeinsame Gesprächsbasis mehr", erklärte Ruggiero nach seinem Rücktritt. Zum Hauptstreitpunkt, der EU-Politik der Regierung, sagte der Exminister, er habe vergeblich auf Fakten gewartet. Mit leeren Worten wolle er sich nicht zufrieden geben.

Ruggiero, der parteiungebundene Diplomat und ehemalige Generaldirektor der Welthandelsorganisation WTO, war den Koalitionspartnern, der populistischen Lega Nord und der rechtslastigen Alleanza Nazionale, von Beginn an ein Dorn im Auge. Doch vor allem Staatspräsident Carlo Azeglio Ciampi hatte auf seiner Ernennung bestanden. Er sah in ihm einen Garanten für die Fortsetzung der traditionell europafreundlichen Politik Roms.

Auch Fiat-Ehrenpräsident Gianni Agnelli hatte sich nach Berlusconis Wahlsieg für Ruggiero als Außenminister ausgesprochen. Der 80-jährige Patriarch gilt in Italien nach wie vor als sehr einflussreich. Sein Urteil am Sonntag: Es sei, "ein schlechter Tag für Italien", der dem Land schade: "Die Regierung macht sich den schweren Verlust noch gar nicht klar."

Mögliche Nachfolger

Berlusconi will das Außenministerium vorerst selbst verwalten. Als Nachfolger werden Europaminister Rocco Buttiglione und Kammerpräsident Ferdinando Casini genannt. Auch Staatssekretär Gianni Letta gilt als Kandidat - ebenso wie Verteidigungsminister Antonio Martino, der bereits 1994 in der ersten Berlusconi-Regierung Außenminister war.

(DER STANDARD, Print- Ausgabe, 07. 01. 2002)