London - Er ist einer der wenigen (seriösen) Wissenschafter, die fixer Bestandteil der Populär-Kultur geworden sind: Stephen Hawking, der Genius im Rollstuhl. Nach Meinung seiner Ärzte hätte er mit 22 Jahren an der unheilbaren Muskel- und Nervenkrankheit ALS (amyotrophe Lateralsklerose) sterben müssen. Doch er lehrt weiterhin als Professor in Cambridge, nimmt an Kongressen teil und schreibt Bestseller: am berühmtesten "Eine kurze Geschichte der Zeit" - und gerade jetzt führt "Das Universum in der Nussschale" die aktuellen Sachbuch-Charts an. Hawking ist medial präsent wie nur wenige Wissenschafter - und das obwohl er sich weder bewegen noch ohne technische Hilfe sprechen kann. Am 8. Jänner wird der Astrophysiker und Kosmologe 60 Jahre alt.Selbstironisch Viele würden Hawkings Zustand wohl als unerträglich qualvoll beschreiben. Er selbst macht Witze darüber: Wenigstens komme er nicht in Versuchung, seine Zeit mit Joggen und Golf Spielen zu vertrödeln. Ganz im Ernst ist er davon überzeugt, in seinem Leben "großes Glück" gehabt zu haben, privat wie beruflich. Die Krankheit sei "kein so großer Schlag" gewesen: "Bevor ich sie hatte, fand ich das Leben ziemlich langweilig. Ich glaube, jetzt bin ich glücklicher." Hawking kann sich nicht einmal seine Brille selbst zurechtrücken, und doch wird er oft als "Herr des Universums" bezeichnet. Jane Wilde, mit der er 25 Jahre verheiratet war, betrachtete es in dieser Zeit als ihre Hauptaufgabe, ihn immer wieder daran zu erinnern, "dass er nicht Gott war". Die Suche nach der Weltformel Denn Hawking sucht die Antwort auf die großen Fragen der Menschheit: "Mein Ziel ist ein vollständiges Verständnis des Universums, warum es so ist, wie es ist, und warum es überhaupt existiert." Mit anderen Worten: Er will "die Gedanken Gottes lesen", wobei der Atheist den Begriff Gott allerdings nur als schöneres Wort für die abstrakten Gesetze der Physik verwendet. Dieses Ziel glaubt er erreichen zu können, wenn er die Weltformel findet. Eine Formel, die Einsteins Relativitätstheorie mit der Quantenmechanik verbindet. Einen Satz mathematischer Gleichungen, der vom Urknall bis zu den Atomen alles erklären soll. In den siebziger Jahren glaubte Hawking noch, die Wissenschaft werde diese Formel bis zum Jahr 2000 gefunden haben. Inzwischen hat er die Stunde der Erkenntnis auf das Ende des 21. Jahrhunderts verschoben. Aber er ist sicher, dass sie kommen wird - falls die Menschheit noch so lange existiert. Mediales Aufsehen durch Untergangsprognosen Denn was die Zukunft der Menschen angeht, ist Hawking pessimistisch. Nacheinander hat er bereits ihr nahendes Ende durch den Treibhauseffekt und ein Killer-Virus vorausgesagt. Auch einen Kometeneinschlag hält er für möglich. "Panikmache", werfen ihm Kritiker vor. Ihnen graut auch bei Hawkings Spekulationen über Außerirdische, Zeitreisen oder den "neuen Genmenschen". Hawking dagegen kennt keine Selbstzweifel. Kritikern fährt er schon mal mit seinem Rollstuhl über die Füße. Gelegentlich weist er darauf hin, dass er am 300. Todestag von Galileo Galilei geboren wurde, den Lehrstuhl Isaac Newtons innehat und "nicht so bedeutend wie Einstein" ist. Welchen wissenschaftlichen Rang er wirklich hat, darüber streiten vorerst noch die Gelehrten. (APA/red)