Das Bochumer Bühnencomeback des hauptberuflichen Late-Night-Talkers Harald Schmidt verhilft zu keinen grundsätzlich neuen Einsichten: Wer ist nur dieser Herr Godot? Und warum spricht Lucky (Schmidt) so viele absurde Rätselworte?
Von STANDARD-Mitarbeiter Rolf C. Hemke
Bochum - "Früher hatte man Hofnarren", sagt der Reisende Pozzo über seinen sklavisch gehorsamen Diener Lucky, "heute hat man Gnucks - wenn man es sich leisten kann." Der Fernsehsender Sat 1 kann - und nun auch das Schauspielhaus Bochum, was bereits im Vorfeld der Premiere von Becketts "Warten auf" Godot für großes Medieninteresse sorgte.

Denn der Lucky unserer Zeit sei der Late-Night-Talker Harald Schmidt, befand der Bochumer Chefdramaturg Thomas Oberender, was seinem Intendanten und Regisseur der Aufführung, Matthias Hartmann, trefflich ins Konzept seiner seriösen Arbeit mit Fernsehstars passte. Nach Tobias Moretti in der letztjährigen Botho-Strauß-Uraufführung und dem Bochum-Heimkehrer Armin Rohde ist Harald Schmidt nun schon der dritte Stargast an der Revier-Bühne. "Ich kenne den Text seit 25 Jahren. Ich wollte den schon auf der Schauspielschule zur Aufnahmeprüfung sprechen. Kein Witz", äußerte sich Schmidt vor der Premiere über die Rückkehr in sein gelerntes Metier.

Doch die angereisten Fans der Harald Schmidt Show dürften hinlänglich enttäuscht gewesen sein: Die Rolle ist klein, und Schmidt hat in seinen Monolog keinen einzigen Polen-Witz eingebaut. Vielmehr verheddert sich Lucky in einer absurden Endlosschleife, in der in Bochum insbesondere die Feststellung "Man weiß nicht, warum!" und das laut hervorgestoßene "Tennis!" bei Estragon und Wladimir für Schmerz und Verzweiflung sorgen, so dass sie ihn beißen und treten, schlagen und schließlich niederringen, bis er endlich Ruhe gibt.

Er kommt wieder nicht

Godot erscheint auch für Harald Schmidt nicht, weder am ersten noch am zweiten Tag. Wieder erscheint nur der kleine Junge, der Estragon und Wladimir vertröstet, während Pozzo und Lucky schon längst weitergezogen sind. Das Augenmerk der Regie liegt - wie nicht anders zu erwarten - eher auf Schmidts illustren Darstellerkollegen. Fritz Schediwy als Pozzo nölt und schimpft und herrscht seine Umgebung an, während er bei seiner Rückkehr als Erblindeter im zweiten Teil allzu sehr leidet. Die Figur bleibt in der Eindeutigkeit stecken.

Ganz anders dagegen das großartige Tramp-Duo Michael Maertens als Wladimir und Ernst Stötzner als Estragon, denen zumal im ersten Teil immer wieder Momente gelingen, in denen sie Becketts wundertraurige Clownwelt erstehen lassen aus ihrem lauten, neugierigen und besserwisserischen, gehässigen und gemeinen, harmlosen und ängstlichen Kinderspiel.

Hartmann wählt damit einen ähnlichen Ansatz wie Luc Bondy in seiner Lausanner Inszenierung. Doch während Bondy damit einen todtraurigen, poetisch komischen Winternachmittag für vier große Kinder hinzauberte, geht es Hartmann um die rein theatralische Illustration eines existenziellen Vagantenspiels.

Dementsprechend schmal ist die Bochumer Spielfläche, ein schwankender Steg, den Karl-Ernst Herrmann etwa auf einem Drittel der Höhe seines Bühnenbildes platziert hat und der sich während der Aufführung wie eine Waage von der einen zur anderen Seite neigt. Der Baum in der Bühnenmitte ist hier keine Trauerweide, sondern nur ein sich herunterbiegender Ast, der aus einer Art Schirmständer hervorwächst.

Über die Bedeutung des großen goldenen Bilderrahmens, der die Bühne einfasst, darf man spekulieren: Ist er die vorauseilende Entschuldigung für einen vermeintlich antiquierten Klassiker des 20. Jahrhunderts, dem hier schon gegen Ende des ersten Teils die Puste ausgeht, weil sich die Gags wiederholen, auf dem Steg eine szenische Entfaltung nicht möglich ist und eine sprachliche Variation nicht weiter stattfindet? Oder kündet der Rahmen gar vom Betreben der Beteiligten, ihre Aufführung selbst schon einmal aufs Podest zu heben?
(DER STANDARD, Print-Ausgabe, 8. 1. 2002)