Die Wiener Börse ist nicht zu beneiden: Zum einen kommen ihr umsatzkräftige Unternehmen wie Austria Tabak, Bank Austria und vermutlich die Telekom Austria abhanden. Zum anderen arbeiten wichtige Notierungen wie RHI emsig an der Selbstzerstörung. Was sich der Hersteller von Hochofen-Verkleidungen für Stahl- und Zementindustrie in den vergangenen Jahren so geleistet hat, ist selbst für die leidgeprüften Freunde der Wiener Börse außergewöhnlich. Die Benachrichtigung der lästigen Aktionäre erfolgte immer nach dem gleichen Muster: "Wir haben eine schwierige Zeit hinter uns, aber von nun an werden die Gewinne munter sprudeln", lautete die Botschaft in vielen Aktionärsbriefen. Zwei Beispiele von vielen: Für 1999 prognostizierte der derzeitige Präsident Walter Ressler Ende März einen Gewinn von 900 Millionen Schilling - heraus kamen dann 554 Millionen. Für 2000 sagte Vorstandschef Georg Obermeier "zumindest" 145 Millionen Euro voraus - heraus kamen 131 Millionen. Natürlich können Prognosen auch verfehlt werden. Merkwürdig wird es nur, wenn Enttäuschungen und Fehlprognosen zur Regel werden. Auch die Expansionspolitik lief seltsam: Noch am 30. März 1999 sagte Finanzvorstand Roland Platzer, der Konzern könne sich mangels entsprechender Eigenkapitalausstattung sicher keine Übernahmen leisten. Nur vier Monate später wurde der Kauf des US-Konkurrenten GIT um viele Milliarden gestartet, finanziert allein durch "Kostensenkungsprogramme", wie das Unternehmen vermeldete. Kein Wunder, dass dann in der Eile für Kleinigkeiten wie Asbest-Sammelklagen in Milliardenhöhe erst gar nicht wirklich vorgesorgt wurde. Die RHI-Aktie habe gewaltiges Potenzial, versicherte Obermeier dann im Winter 2000. Seither ist sie gefallen. Um gewaltige 80 Prozent.(DER STANDARD, Printausgabe 8.1.2001)