Rom/Wien - Recht genau sieben Monate regiert Silvio Berlusconis Rechtskoalition nun, ebenso lange hatte sein Gastspiel im Palazzo Chigi 1994 gedauert. Doch anders als während der chaotischen Regierungsmonate von Mai bis Dezember jenes Jahres braucht Berlusconi dieses Mal nicht mehr die unberechenbare Lega Nord als Mehrheitsbeschaffer.

Als Lega-Chef Umberto Bossi im November 1994 im römischen Parlament gegen eine Rentenkürzung stimmte, verlor der Cavaliere seine Mehrheit. Am 22. Dezember reichte ein wütender Berlusconi seinen Rücktritt ein. "Sie haben mich nicht arbeiten lassen", sagte er noch dem italienischen Präsidenten Oscar Scalfaro bei dieser Gelegenheit.


Decreto Biondi

Doch untätig war der Mailänder Medienunternehmer während seiner ersten Amtszeit keineswegs. Die Staatsanwälte des Antikorruptionsfeldzugs "mani pulite" waren das erste Ziel von Berlusconis Truppe aus Forza Italia, Lega Nord und der - damals noch als "neofaschistisch" bezeichneten - Alleanza Nazionale. Ihr "decreto Biondi", benannt nach Justizminister Alfredo Biondi, taufte der Volksmund in "decreto salva ladri" um, in den "Rettungserlass für Diebe". Bestechung und Erpressung wurden darin zu geringfügigen Vergehen, 156 Personen kamen vorzeitig aus der Untersuchungshaft, darunter viele Mafiosi und ein früherer Minister. Erst als halb Italien auf der Straße demonstrierte und die Regierung mit Protestschreiben eindeckte, zog der Premier das Dekret zurück.

Den Zorn der Italiener zog sich Berlusconis erste Regierung dazu noch wegen eines Sparhaushaltes zu: Im November 1994 kam es in Rom zur bis dahin größten Demonstration der italienischen Nachkriegsgeschichte. Auch die Justiz setzte Berlusconi unter Druck. Die Untersuchungsrichter, die wegen Korruptionsverdachts gegen ihn ermittelten, wurde er nie los.

(mab/DER STANDARD, Print- Ausgabe, 09. 01. 2002)