Wien - Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat beschlossen,
gegen Präsident Ludwig Adamovich kein Amtsenthebungsverfahren
einzuleiten. Die Vorwürfe des Kärntner Landeshauptmannes Jörg Haider
nach dem Ortstafel-Erkenntnis des VfGH könnten "keinen Anlass dafür
bieten, ein Amtsenthebungsverfahren einzuleiten", heißt es im
Beschluss. Die Entscheidung erfolgte nach Anhörung des
Generalprokurators in voller Übereinstimmung mit der Stellungnahme
des Generalprokurators.
Vorwürfe Haiders "durch Urkunden widerlegt"
Die Begründung im Beschluss: "Die Vorwürfe des Landeshauptmannes
(Jörg Haider, Anm.) sind sohin zu einem Teil durch Urkunden
widerlegt, zum anderen Teil hat der Landeshauptmann aber Schlüsse aus
den von ihm vorgelegten Urkunden gezogen, die durch deren Inhalt
nicht gedeckt sind".
An der Beratung und Beschlussfassung nahmen unter dem Vorsitz des
Vizepräsidenten Karl Korinek - Adamovich war von der Mitwirkung
natürlich ausgeschlossen - alle 12 anderen Mitglieder des
Gerichtshofs teil. Die Entscheidung wurde dem VfGH-Präsidenten Montag
vormittag zugestellt und "wird im Intereresse vollständiger
Transparenz in vollem Wortlaut veröffentlicht werden".
Keine detaillierte Begründung
Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) führt in seinem Beschluss, kein
Amtsenthebungsverfahren gegen Präsident Ludwig Adamovich einzuleiten,
selbst die Gründe nicht detailliert aus, sondern verweist auf die
Stellungnahme von Generalprokurator Friedrich Hauptmann. Dieser
spricht von einem "Versuch unsachlicher Einflussnahme von außen" und
weist Haiders Vorwürfe in klaren Worten zurück: Sie hätten "weder das
Gewicht, das für einen Amtsenthebungsgrund vorauszusetzen ist, noch
eine hinreichende faktische Untermauerung". Es gebe "keinen
Anhaltspunkte" für "unwürdiges Verhalten".
Hauptmann weiter: "Zusammenfassend muss das Schreiben des
Landeshauptmannes von Kärnten vom 21. Dezember 2001 als ein auch im
Bereiche der ordentlichen Gerichtsbarkeit gelegentlich vorkommender
Versuch angesehen werden, nach Fällung eines nicht genehmen
Erkenntnisses unsachliche Einflussnahme von außen auf die
Entscheidungsfindung und eine Verstrickung des Präsidenten des
Gerichtshofes in diese angeblichen dubiosen Vorgänge anzudeuten, ohne
die betreffenden Spekulationen verifizieren zu können", betont der
Generalprokurator, dem sich der VfGH "vorbehaltlos" anschließt.
"Nichtssagende Phrasen"
Hauptmann, der als oberster Ankläger der Republik vom VfGH
angehört wurde, geht auf die einzelnen Vorwürfe Haiders konkret ein
und hält fest: Zu den Vorwürfen über ein Gespräch Adamovichs mit dem
slowenischen Ministerpräsidenten Milan Kucan habe Haider nur
Pressemeldungen vorgelegt - die allerdings entweder nur
Vorankündigungen seien oder sich "mit nichtssagenden Phrasen"
begnügen. Daher müsse von den Angaben der beiden Gesprächspartner,
Adamovich und Kucan, ausgegangen werde, dass "die Ortstafelfrage
nicht zur Sprache gelangte".
Auch sei, so Hauptmann, Adamovich nicht Verfasser der nun
aufgehobenen Regelungen, sondern nur an der Vorbereitung der
Durchführungsverordnung über die zweisprachigen Ortstafeln beteiligt
gewesen. "Schon aus diesem Grund geht der Vorwurf der völligen
Uneinschätzbarkeit und Sprunghaftigkeit - den der LH im Grunde auch
nicht gegen den Präsidenten des VfGH, sondern gegen dieses Gericht in
seiner Gesamtheit erhebt - ins Leere." Abgesehen davon könnte es
nicht als sprunghaft erachtet werden, wenn ein Rechtswissenschafter
meint, eine vor 25 Jahren vertretene Ansicht nicht mehr aufrecht
erhalten zu können.
Haider bekräftigt Vorwurf der "Unwürdigkeit"
In dem - Samstag in nicht-öffentlicher Sitzung gefassten und
Montag veröffentlichten - zwölfseitigen Beschluss der 13
Verfassungsrichter (ohne Adamovich) wird auch Haiders Stellungnahme
zur Präzisierung seiner Vorwürfe samt 13 Beilagen detailliert
wiedergegeben. Der Kärntner LH bekräftigt den Vorwurf der
"Unwürdigkeit", einer der Amtsenthebungsgründe laut Gesetz und
wiederholt seine einzelnen Punkte.
Der VfGH sah sich, wie er ausdrücklich betont, zur Prüfung eines
Amtsenthebungsverfahrens veranlasst, weil Haider die Vorwürfe
wiederholt in der Öffentlichkeit erhoben habe. Adamovich habe
nachhaltig widersprochen und selbst die Klärung in einem Verfahren
gefordert. Es "lag im rechtsstaatlichen Interesse, zur Wahrung des
Ansehens des Verfassungsgerichtshofes und seiner Mitglieder den
Sachverhalt zu klären und allfällige Folgen aus dem Erkenntnis dieser
Klärung zu ziehen".
Bekanntmachung im öffentlichen Interesse
Der VfGH musste im Zusammenhang mit dieser Causa auch klären, ob
und wie weit er seinen Beschluss veröffentlichen darf. Das
Richterdisziplinarrecht sieht nämlich ein striktes
Veröffentlichungsverbot über Disziplinarsachen vor. Die
Verfassungsrichter kamen zu dem Schluss: Die Geheimhaltung sei nicht
geboten. Und er hielt fest: "Im vorliegenden Fall hält der
Verfassungsgerichtshof eine solche Bekanntmachung angesichts der
vorangegangenen öffentlichen Diskussion auch im Interesse der Abwehr
von Angriffen auf die Unabhängigkeit seiner Rechtsprechung für
geboten." (APA)