München/Berlin - Im Streit um die Kanzlerkandidatur der Union bekannten am Mittwoch mehrere CDU-Landesverbände Farbe, nachdem die CSU am Vortag offiziell ihren Parteichef Edmund Stoiber für diese Position nominiert hatte. Der saarländische Ministerpräsident Peter Müller und die Vorsitzenden der Landesverbände Schleswig-Holsteins und Sachsen-Anhalts sagten dem CSU-Vorsitzenden ihre Unterstützung zu.

Die Führung des größten CDU-Landesverbandes Nordrhein-Westfalen sprach sich demgegenüber dafür aus, dass CDU-Chefin Angela Merkel als Herausforderin von Bundeskanzler Gerhard Schröder antritt. Merkels eigener Landesverband Mecklenburg-Vorpommern ist ebenso wie Niedersachsen gespalten.

"Stoiber hat größere Kompetenzzuschreibungen"

Nach Einschätzung des Parteienforschers Oskar Niedermayer wird es "auf Stoiber als Kanzlerkandidat hinauslaufen, weil er die größeren Kompetenzzuschreibungen in der Öffentlichkeit hat", meint der Professor für Politische Wissenschaften an der Freien Universität Berlin zum STANDARD. Stoiber sei vor allem im Bereich Wirtschaft kompetenter als Merkel. Die Opposition müsse wegen des wirtschaftlichen Abschwungs und des Anstiegs der Arbeitslosenzahlen den Wahlkampf mit Wirtschaftsthemen bestreiten, weil auf diesem Feld die rot-grüne Regierung am angreifbarsten sei, so Niedermayer. "Dann hat die Union eine realistische Chance, Schröder herauszufordern."

SPD als Vorbild empfohlen

Gewinnen könne die Union freilich nur, "wenn sich der Verlierer nicht in den Schmollwinkel zurückzieht, sondern mitwirkt". Niedermayer empfiehlt die SPD als Vorbild: Im Wahlkampf 1998 hatte es zwischen dem Kanzlerkandidaten Schröder und Parteichef Oskar Lafontaine eine Aufteilung gegeben: Schröder für die Neue Mitte, Lafontaine für die traditionelle SPD-Wählerschaft. "Damals hat die SPD das geschickt verkauft als konstruktives Miteinander, nicht als Gegeneinander. Die Union kann ihre Chance auch nur wahren, wenn Stoiber und Merkel als Tandem auftreten." Merkel könne die Wähler Mitte-links ansprechen, Stoiber jene am rechten Rand.

Niedermayer schätzt, dass ein Kandidat Stoiber rechts zwei bis drei Prozent gewinnen könne, die sonst an die Schill-Partei fielen. Mit Stoiber als Kandidat "wird der Wahlkampf polarisierter und sehr viel stärker mobilisierend auf die Wähler wirken".

Vorpreschen

Der Politologe streicht heraus, dass das Vorpreschen der CSU, die CDU zur Unterstützung ihres Kandidaten aufzufordern, ein Novum sei: "Die CSU hat der CDU die Pistole auf die Brust gesetzt." Das sei bemerkenswert, denn seit Franz Josef Strauß hätten sich die Schwesterparteien darauf geeinigt, dass der CDU das Vorschlagsrecht zukomme. (DER STANDARD, Print-Ausgabe vom 10.1.2002)