Nahost
Israel übt Vergeltung für Hamas-Überfall
Panzer und Planierraupen dringen in Flüchtlingslager ein - Hunderte obdachlos
Gaza/Jerusalem/Washington - In Nahost stehen die
Zeichen wieder auf Sturm: Israelische Truppen drangen Donnerstag früh
mit zahlreichen Panzern und Planierraupen nach Rafah im südlichen
Gaza-Streifen vor und zerstörten dort mehr als 70 Wohnhäuser. Die
radikale Gruppe Islamischer Dschihad kündigte gleichzeitig eine
Wiederaufnahme der Anschläge gegen Israel an. In einem Flugblatt der
Gruppe hieß es nach Angaben des arabischen TV-Senders Al Jazeera, man
sehe sich nicht mehr dazu verpflichtet, dem Aufruf von
Palästinenserpräsident Yasser Arafat zu einer Waffenruhe mit Israel
zu folgen. Hamas und Dschihad hatten sich nach dem Aufruf vom 16.
Dezember bereit erklärt, der palästinensischen Einheit zuliebe
Anschläge in Israel vorerst zu beenden.
Strafmaßnahme
Mit der groß angelegten Strafmaßnahme in Rafah reagierte Israel
auf einen blutigen Überfall der radikal-islamischen Hamas-Gruppe auf
einen nahe gelegenen Militärstützpunkt auf israelischem Staatsgebiet,
bei dem am Vortag vier israelische Soldaten und beide Angreifer
getötet worden waren. Hamas hatte mit der Attacke eine dreiwöchige
Phase relativer Ruhe unterbrochen.
Israelische Verbände drangen am frühen Donnerstag mit einem
Dutzend Panzern und Planierraupen in den so genannten "Block O" im
Bereich eines Flüchtlingslagers in Rafah ein, aus dem die beiden
Hamas-Attentäter stammten. Nach Angaben des Gouverneurs von Rafah,
Madschid el Ara, zerstörten die Truppen mit 73 Häusern gut zwei
Drittel des Viertels. Etwa 600 Menschen, mehr als 120 Familien, seien
dadurch obdachlos geworden. Im strömenden Regen suchten Dutzende von
Palästinensern in den Trümmern nach ihren Habseligkeiten. Ara
beschrieb das Viertel als "Katastrophenzone"; die Armee habe den
Menschen keine Zeit gelassen, persönliche Dinge aus den Häusern
mitzunehmen.
Keinerlei Widerstand
Nach israelischen Angaben wurde die Truppe von militanten
Palästinensern beschossen, als sie in das Flüchtlingslager vordrang.
Nach palästinensischer Darstellung gab es hingegen keinerlei
Widerstand von Seiten der Polizei oder militanter Gruppen.
Israel erklärte, die zerstörten Gebäude hätten palästinensischen
Attentätern und Schmugglern als Versteck gedient. Nach Angaben der
palästinensischen Behörden waren die Häuser jedoch bewohnt. Die
Autonomieregierung verurteilte den israelischen Vorstoß als "schweres
Verbrechen", das die Mission von US-Vermittler Anthony Zinni
sabotieren solle.
Palästinenser rechneten bereits mit Angriff
Die israelische Armee zerstörte nach eigenen Angaben auch einige
palästinensische Einrichtungen nahe der jüdischen Siedlung Karem
Shalom, in der die zwei Hamas-Mitglieder am Mittwoch den israelischen
Armeeposten überfallen und die vier Soldaten getötet hatten, bevor
sie selbst erschossen wurden. In allen Fällen hatten die
Palästinenser die betroffenen Einrichtungen bereits aufgegeben, weil
sie offensichtlich mit einem Angriff rechneten.
Die USA verurteilten den Anschlag vom Mittwoch. Die Regierung in
Washington forderte Arafat auf, die Verantwortlichen festzunehmen und
die Hamas zu zerschlagen.
Der jüngste Anschlag hat die Todeszahl seit Beginn des jüngsten
Palästinenseraufstands auf insgesamt 1.107 erhöht. Nach israelischen
Angaben kamen bei den Unruhen in den vergangenen 15 Monaten 861
Palästinenser und 246 Israelis ums Leben.(APA/dpa/AP)