Bühne
Die dunkle Vergangenheit der VOEST-Alpine Stahl
Stück über Zwangsarbeiter erfolgreich uraufgeführt
Linz - - Ein Stück Vergangenheitsbewältigung der etwas anderen
Art - das war am Sonntagabend in den Linzer Kammerspielen die
Uraufführung des Stücks "An wen soll ich schreiben ? An Gott ?" des
derzeit in Innsbruck tätigen Linzer Psychologen Karl Fallend. Der
Text basiert auf den authentischen Aussagen von ehemaligen
Zwangsarbeitern in den Linzer "Hermann-Göring-Werken". Fallend war Mitglied einer "Historikerkommission" gewesen, die im
Auftrag der VOEST Alpine die Situation und die Schicksale der
Zwangsarbeiter in der NS-Zeit in Linz aufarbeitete. Das Material aus
unzähligen Interviews hat Fallend als Auftragsarbeit des Linzer
Landestheaters für die Bühne adaptiert.
Fünf Protagonisten - zwei Frauen und drei Männer - berichten über
ihre traumatischen und noch heute betroffen machenden Erlebnisse,
aber auch über ihre Versuche, dem Zwang und Druck der Situation
wenigstens für Stunden zu entgehen, womit Linz mit seinem damaligen
bescheidenen Angebot der Ablenkung und des "Vergnügens" - bis hin zu
den eigens für Ausländer eingerichteten Bordellen - zum "Paradies"
für die Zwangsarbeiter wird.
Nikolaus Büchel - verantwortlich sowohl für die Regie als auch die
Bühne - hat als Ambiente für die weitgehend monologisch ablaufenden
"Erzählungen" der ehemaligen Zwangsarbeiter eine Art "Wohnzimmer"
gewählt, angefüllt mit alten Möbeln und Requisiten,
die von Zeit zu Zeit den Schauspielern für verhaltenes Ausagieren
dienen. Büchels Ziel,
Theater zu einer "kollektiven Erinnerungsanstalt" zu
machen, dürfte ersten Reaktionen zufolge gelungen sein.
Vorgeschichte
Fallend (Jahrgang 1956) hatte lange und intensive Gespräche mit
ehemaligen Zwangsarbeitern und KZ-Häftlingen geführt, die in den
damaligen "Hermann-Göring-Werken" in Linz - auf dem Standort der
späteren VOEST - tätig sein mussten. Unter harten, unmenschlichen
Bedingungen. Erlebnisse, die bei vielen traumatische Folgen hatten,
welche selbst im Alter noch nachwirkten, wie der Psychologe in den
Gesprächen feststellte. Die wissenschaftliche Arbeit Fallends fand
Eingang in die Dokumentation "Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen
in den Linzer Betrieben des Hermann Göring Konzerns", erschienen im
Böhlau-Verlag.
Verarbeitung
Fallend, der derzeit als Gastprofessor am Institut für Psychologie
der Universität Innsbruck tätig ist, kam aber - so berichtet er -
auch nach Abschluss der wissenschaftlichen Arbeiten von diesem Thema
nicht los. Fallend: "Irgendwann war ich fertig mit dem
Forschungsbericht. Aber emotional war es für mich überhaupt nicht
abgeschlossen. Und so habe ich überlegt, ob es nicht noch eine andere
Möglichkeit gibt, eine andere und größere Öffentlichkeit für diese
Lebensgeschichten zu finden und eine weitere Auseinandersetzung mit
unserer Geschichte zu forcieren". So kam es zu dem Projekt am Linzer
Landestheater.
(APA)