Es ist vollbracht, endlich. Edmund Stoiber, der bayerische Ministerpräsident, wird als Kanzlerkandidat der CDU/CSU seinem sozialdemokratischen Widersacher, Bundeskanzler Gerhard Schröder, den politischen Fehdehandschuh ins Gesicht schmettern. Angela Merkel - die CDU-Chefin, die aus dem Osten kam - hat Platz gemacht für die bayerische Machtmaschine Stoiber, dem in allen Meinungsumfragen bestätigt wurde, als Einziger Chancen gegen Schröder zu haben. Damit hat zumindest das unwürdige Gezerre ein Ende, mit dem die deutsche Opposition um einen Gegenkandidaten zu Schröder rang - die Fronten sind nun bereinigt.

Was sprach also gegen Merkel und für Stoiber? Merkel, und das wurde ihr angekreidet, ist eine Frau mit einem gesunden Machtbewusstsein. Dass eine Frau dieses Streben auch öffentlich artikuliert, brachte ihr - vor allem von Männern - hämische Kommentare ein. Doch es war Merkel, die die Partei aus dem schwarzen Loch führte, in das sie Altkanzler Helmut Kohl mit seinem eigenwilligen Verständnis für Parteispenden gestürzt hatte; zumindest das ist eine Leistung, die nicht genug gewürdigt werden kann.

Andererseits ist Frau sein allein nicht abendfüllend, eine feministische Sicht der Dinge hilft da nicht weiter. Merkel hat es bisher verabsäumt, sich ein unverwechselbares Profil zuzulegen. Das kann man von Edmund Stoiber nicht behaupten. In den Zeiten, als Stoiber noch als rechte Hand des seligen Franz Josef Strauß fungierte, war er als "blondes Fallbeil" seines Herrn bekannt. Stoiber besetzt kompromisslos konservative Themen und lässt rechts von sich niemanden zu. Der Bayer ist eben unverwechselbar. Außerdem kann Stoiber auf etliche Erfolge als Regierungschef im Freistaat zurückblicken, unter seiner Ägide wurde aus dem randalpinen Bauernvölkchen, das Österreichern wegen der verwechselbaren Ähnlichkeit mit uns so sympathisch erscheint, ein zukunftsorientiertes, leistungsfähiges deutsches Bundesland.

Insgeheim kann sich Stoiber tatsächlich gute Chancen ausrechnen, Gerhard Schröder zu beerben. Der Sozialdemokrat steht derzeit nicht sehr gut da: Steigende Arbeitslosigkeit, Rezession und Reformstau trüben das Bild des Bundeskanzlers. Innenpolitisch kann Stoiber den gleichen Slogan wie einst Schröder verwenden: Er wird nicht alles anders, aber vieles besser machen wollen. Doch Schröder kann mit anderen Sachen punkten: Er war es, der die Deutschen zur weltpolitischen Normalität führte, mit allen Vor- und Nachteilen. Dass die Bundeswehr vom Balkan über den Hindukusch bis hin zum Horn von Afrika Dienst tut, ängstigt heute niemanden mehr. Deutschland, die stärkste Wirtschaftsmacht Europas, ist unter Schröders Führung heimgekehrt in den Kreis der verlässlichen Partner. Hier liegen die Pfunde, mit denen Schröder wuchern kann. Während sich Stoiber außenpolitisch nicht profilieren konnte, kennt der Bundeskanzler das politische Parkett von Washington bis Moskau. Dieser Wahlkampf wird nun jedenfalls spannend. (DER STANDARD, Print vom 12.1.2002)