Kabul/New York - Mit einem Notappell an die
internationale Gemeinschaft hat die UNO zur Unterstützung
Afghanistans aufgerufen. Die Übergangsregierung brauche in den
kommenden Tagen hundert Millionen Dollar (rund 112 Millionen
Euro/knapp 1,5 Mrd. Schilling), sonst drohe dem Land der Bankrott,
sagte UNO-Sprecher Ahmad Fauzi am Montag in Kabul. Mit dem Geld
müssten mehr als 230.000 Regierungsangestellte und Polizisten bezahlt
werden, die seit sechs Monaten keine Gehälter mehr bekommen hätten. Die Übergangsregierung verfüge zur Zeit nur noch über zehn
Millionen Dollar, sagte Fawzi weiter. Die für den kommenden Montag
angesetzte Geberkonferenz in Tokio könne nicht abgewartet werden.
"Sonst gibt es das Land nicht mehr, wenn das Geld da ist", warnte
Fauzi. Ein Expertenteam hatte die Kosten für den Wiederaufbau in den
kommenden zehn Jahren auf mindestens 15 Milliarden Dollar geschätzt.
Eingefrorene Gelder
Die Übergangsregierung in Kabul forderte zur Behebung der akuten
Notlage die Freigabe eingefrorener Taliban-Gelder. Die afghanischen
Ministerien für Planung, Auswärtige Angelegenheiten und Finanzen
seien autorisiert worden, mit den zuständigen internationalen Banken
und Organisationen Kontakt aufzunehmen, berichtete das afghanische
Fernsehen unter Berufung auf Regierungsvertreter. Sobald die ersten
Gelder eingingen, solle den Staatsangestellten dann ein erstes
Monatsgehalt gezahlt werden.
Nach der Zerschlagung des Taliban-Regimes werden die Vereinten
Nationen ihre Sanktionen gegen Afghanistan weitgehend aufheben. Mit
einem entsprechenden Beschluss des Weltsicherheitsrates, der am
Montag Beratungen dazu aufnahm, rechneten UNO-Diplomaten an diesem
Dienstag.
Negative Auswirkungen verhindern
Nach Angaben des amtieren Ratspräsidenten Jagdish Koonjul
(Mauritius) will das höchste UNO-Entscheidungsgremium vor allem alle
weitere negative Auswirkungen der Sanktionen auf die Lage der
Bevölkerung verhindern. Allerdings sollten einzelne Maßnahmen wie die
Einfrierung von Auslandskonten, die sich gegen in oder außerhalb
Afghanistans noch bestehende Taliban-Strukturen richten, beibehalten
werden. Davon solle die neue afghanische Zentralbank aber ausgenommen
werden.
Der Sicherheitsrat hatte die UN-Sanktionen gegen Afghanistan 1999
verhängt und später weiter verschärft, um die Taliban zur
Auslieferung des Terroristenführers Osama bin Laden zu zwingen.
Humanitäre Hilfeleistungen waren von den Zwangsmaßnahmen ausgenommen.
Dennoch litt nach Einschätzung von Hilfsorganisationen vor allem die
Bevölkerung darunter. (APA/dpa)