Europa
Deutschland: Schächten darf nicht verboten werden
Verfassungsgericht verweist auf Vorschriften der Religionsgemeinschaften
Karlsruhe - Islamischen Fleischhauern in der
Bundesrepublik Deutschland darf das so genannte Schächten, das
Schlachten von Tieren durch Ausbluten ohne vorherige Betäubung,
nicht generell untersagt werden. Nach einem Urteil des deutschen
Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe muss beachtet werden, dass
bestimmten Religionsgemeinschaften innerhalb des Islam nur das
Verzehren von geschächtetem Fleisch gestattet ist. Mit dem am
Dienstag verkündeten Erkenntnis hatte die Verfassungsbeschwerde eines
Fleischhauers aus dem Raum Gießen Erfolg, dem die Ausnahmegenehmigung
für das Schächten nach Jahren wieder entzogen worden war. Die
Entscheidung des Ersten Senats erging einstimmig. **** Das deutsche Bundesverfassungsgericht stellte fest, dass die
Gerichte die Ausnahmegenehmigung nach dem Tierschutzgesetz zu eng
ausgelegt und damit die Grundrechte des deutsch-türkischen
Fleischhauers unverhältnismäßig eingeschränkt hätten. Das
Tierschutzgesetz verbietet das Schlachten von Tieren ohne vorherige
Betäubung, lässt jedoch Ausnahmen zu, wenn eine Religionsgemeinschaft
ihren Anhängern den Verzehr von geschächteten Tieren vorschreibt.
Seit einer Grundsatzentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts von
1995 gingen deutsche Behörden und Verwaltungsgerichte jedoch davon
aus, dass der Islam das Schächtgebot nicht zwingend vorschreibt.
Ausnahmegenehmigungen wurden seither wieder zurückgezogen.
Betroffen war unter anderem der Metzger aus dem Raum Gießen,
dessen Vater bereits eine Ausnahmegenehmigung zum Schächten von
Tieren besessen hatte. Der Mann rief deshalb das
Bundesverfassungsgericht an, das im November über den Fall mündliche
verhandelt hatte.
In der am Dienstag verkündeten Entscheidung heißt es, das
Tierschutzgesetz sei mit dem Grundgesetz vereinbar. Die dort
getroffene Ausnahmeregelgung trage den Belangen der Religionsfreiheit
Rechnung. Die Gerichte hätten die Ausnahmeregelung aber zu eng
ausgelegt. Da es innerhalb des Islam verschiedene Ausrichtungen gebe,
dürfe die Frage nach der zwingenden Vorschrift des Schächtens nicht
im Hinblick auf den Islam insgesamt beantwortet werden. Vielmehr
müsse die konkrete Glaubensrichtung innerhalb der bestehenden
Religionsgemeinschaft beurteilt werden.
Verlange die Glaubensüberzeugung zwingend, nur das Fleisch von
Tieren zu verzehren, die ohne Betäubung geschlachtet wurden, hätten
die Gerichte dieses Selbstverständnis der Religionsgemeinschaft zu
beachten. Einem Metzger, der die Ausnahmegenehmigung zur Versorgung
der Religionsgemeinschaft benötige, dürfe sie nicht versagt werden.
Weiter verweist der Erste Senat des höchsten deutschen Gerichts
darauf, dass auch der Gesetzgeber die Ausnahmegenehmigung nicht auf
Angehörige jüdischen Glaubens beschränken wollte, die in Deutschland
schächten dürfen. Diese Möglichkeit sollte vielmehr auch islamischen
Glaubensrichtungen eröffnet werden.(APA)