Nahost
Zwei mutmaßliche Rachemorde an Israelis
Israels Regierung wirft palästinensischer Autonomiebehörde Doppelspiel vor
Jerusalem - Im Konflikt um die Zukunft der
besetzten Palästinenser-Gebiete sind am Dienstag im Westjordanland
zwei israelische Siedler erschossen worden. Zur Tötung des 72 Jahre
alten Awi Boas am Rande Bethlehems bekannte sich eine Gruppe der
Fatah-Bewegung des Palästinenser- Präsidenten Yasser Arafat. Sie
hatte bei der Beerdigung eines ihrer Mitglieder am selben Tag Rache
geschworen. Wenige Stunden später wurde nördlich von Jerusalem eine
Israelin getötet, eine weitere verletzt. Das Blutvergießen ließ die
Zweifel weiter wachsen, dass Israel und die Palästinenser bald an den
Verhandlungstisch zurückkehren. Am gleichen Tag wurde der Chef der
Volksfront für die Befreiung Palästinas, Ahmad Saadat, von der
Palästinenserpolizei festgenommen. "Unsere heldenmutigen Soldaten in Beit Sahur beschossen einen
dreckigen israelischen Agenten, was zu seinem sofortigen Tode
führte", teilte die Brigade der Märtyrer der El-Aksa- Moschee mit.
Weitere Vergeltung für den Tod Saed el Karmis werde folgen. Ein
israelischer Regierungssprecher sagte, Boas sei ein amerikanischer
Jude aus der Siedlung Maaleh Adumim gewesen. Mit den Geheimdiensten
habe er nichts zu tun gehabt. Der israelische Verbindungsoffizier für
das Gebiet, Oberst Sharon Levy, berichtete, Boas habe mit einem
palästinensischen Begleiter in Beit Sahur Baumaterial kaufen wollen
und sei an einem Kontrollpunkt der Palästinenser-Polizei von
bewaffneten Männern verschleppt worden. Boas sei körperbehindert
gewesen; er habe ein künstliches Bein und ein Glasauge gehabt.
Verbindungsoffiziere der Palästinenser-Polizei übergaben später Levy
die Leiche und das ebenfalls von zahlreichen Kugeln getroffene Auto.
Die israelische Regierung hat ihren Bürgern aus Sicherheitsgründen
das Betreten der Palästinenser-Gebiete untersagt, die wie Bethlehem
unter voller Selbstverwaltung stehen.
Israelin in Auto erschossen
Einige Stunden später erschossen nach Angaben der israelischen
Polizei zwei unbekannte Palästinenser an einer Tankstelle vor der
Siedlung Givat Seev nördlich von Jerusalem eine Israelin in ihrem
Auto. Die Beifahrerin sei verletzt worden. Die Tat ereignete sich
fünf Kilometer nördlich von Jerusalem an der Straße nach Tel Aviv.
Der israelische Regierungssprecher sagte zur Verschleppung und
Tötung des Siedlers, die Palästinenser-Regierung spiele "ein
doppeltes Spiel. Nach außen behauptet sie, es gebe eine Waffenruhe,
und auf der anderen Hand unternimmt sie nichts, wenn ein Israeli
angegriffen wird". Die Palästinenser-Regierung nahm zunächst nicht
Stellung.
15.000 Menschen bei Beerdigung Karmis'
In Tulkarem nahmen am Dienstag 15.000 Menschen an der Beerdigung
Karmis teil, der dort am Montag nahe dem Friedhof von einer Bombe
zerrissen worden war. Aus palästinensischen und aus israelischen
Sicherheitskreisen verlautete, es sei ein israelischer Sprengsatz
gewesen. Karmi stand als Mörder von angeblich neun Israelis auf der
Fahndungsliste der Besatzungsmacht. Im November hatte er einer
israelischen Zeitung gesagt, er habe zwei israelische Restauratoren
erschossen, die in Tulkarm Kunstgegenstände hätten kaufen wollen.
Karmi gehörte der "Brigade der Märtyrer" an, einer militanten
Untergruppe der Fatah, der politischen Organisation Arafats. Auf
einem angeblich von ihr stammenden Flugblatt wurde nach dem Tod
Karmis der Gewaltverzicht aufgekündigt, den Arafat am 16. Dezember
verfügt hatte. (APA/Reuters)