International
US-Talib droht vor Zivilgericht lebenslange Haft
Walker wusste seit Sommer 2001 von geplanten Terroranschlägen
Washington - Der amerikanische Taliban-Kämpfer John
Walker muss sich vor einem Zivilgericht in den USA wegen Beihilfe zum
Terrorismus verantworten. Das teilte US-Justizminister John Ashcroft
mit. Die Anklage basiere auf Angaben, die der 20-Jährige in Verhören
selbst gemacht habe, sagte Ashcroft am Mittwoch dem Sender NBC. "Wir
sind froh, dass wir sein Geständnis haben", sagte Ashcroft. Walker
droht lebenslange Haft. Walker, der im Alter von 16 Jahren zum Islam übertrat und sich im
vergangenen Jahr den Taliban anschloss, war im November in
Nordafghanistan festgenommen worden. Nach der Gefangenenrevolte in
Mazar-i-Sharif fiel er in die Hände der Amerikaner. Walker soll nach
eigenen Angaben im Frühjahr vergangenen Jahres in El
Kaida-Terrorlagern im Gebrauch von Waffen ausgebildet worden sein.
Topterrorist Osama bin Laden habe ihm persönlich für seinen Einsatz
gedankt, berichteten US-Medien aus den Unterlagen des
Justizministeriums.
Danach lehnte es Walker, in den Medien genannt "Taliban John", ab,
an Terroroperationen außerhalb Afghanistans gegen die USA und Israel
teilzunehmen. Er habe aber bereits im Sommer von geplanten
Terroranschlägen gegen die USA erfahren. "Walker hörte von seinen
Ausbildern, dass Bin Laden Leute in die USA geschickt hatte, um
Selbstmordattentate auszuführen", heißt es nach Presseangaben in den
Unterlagen.
Bürgerrechtler und Rechtsanwälte kritisierten am Mittwoch den
Umgang der US-Behörden mit Walker. Er habe bei seinen Verhören auf
US-Stützpunkten in Afghanistan keinerlei Rechtsbeistand gehabt. "Er
hat ein Schriftstück unterschrieben, mit dem er auf dieses Recht
verzichtete", verteidigte sich Ashcroft. "Er hat sich entschlossen,
mit den Behörden zusammenzuarbeiten."
Ein Rechtsanwalt, den Walkers Eltern Marilyn Walker und Frank
Lindh in Kalifornien für ihren Sohn engagiert hatten, hatte sich
mehrfach beschwert, er habe keinen Kontakt mit seinem Klienten
aufnehmen dürfen. "Wir hoffen, dass wir unseren Sohn bald wiedersehen
und ihm die Liebe und Unterstützung geben können, die er braucht",
teilten die Eltern in einer Stellungnahme mit. "Wir sind dankbar,
dass wir in einem Land leben, das von der Unschuld ausgeht und sich
Vorverurteilungen enthält, bis alle Fakten auf dem Tisch liegen. Wir
beten für eine gerechte Lösung dieses Falles."
Eine Anklage wegen Landesverrats haben die Behörden zunächst
verworfen. Darauf steht die Todesstrafe. Weitere Anklagepunkte würden
aber nicht ausgeschlossen, falls es dafür Beweise gebe, sagte
Ashcroft. Der Prozess gegen den US-Talib wird vor einem Bundesgericht
in Alexandria bei Washington stattfinden. Dort wird auch der Fall des
Franko-Marokkaners Zacarias Moussaoui verhandelt, der als einziger in
den USA bisher im Zusammenhang mit den Terroranschlägen vom 11.
September angeklagt ist. Walker, der bisher auf einem Kriegsschiff im
Arabischen Meer festgehalten wurde, wird vom US-Militär jetzt der
Ziviljustiz überstellt.
Ashcroft sagte, Walker habe sich bewusst auf die Seite von
Fanatikern gestellt und gegen seine eigenen Landsleute gekämpft. "Wir
werden vielleicht nie wissen, warum er unserem Land und unseren
Werten den Rücken kehrte. Aber wir können nicht ignorieren, dass er
es tat. Jugend ist kein Freibrief für Verrat, und persönliche
Selbsterfahrung ist keine Entschuldigung dafür, gegen sein eigenes
Land zur Waffe zu greifen." Um Verrat nachzuweisen, seien jedoch
entweder ein Geständnis vor Gericht oder die Aussage von mindestens
zwei Zeugen erforderlich. (APA/dpa)