Österreich
Konsumentenschützer führten im Vorjahr 164 Musterprozesse
Innerhalb der letzten zehn Jahre 67 Millionen Schilling erstritten
Wien - Streitfreudig zeigte sich 2001 der Verein für
Konsumenteninformation (VKI): 164 Musterprozesse und Verbandsklagen
wurden im Auftrag des Justizministeriums im Vorjahr durchgeführt.
Innerhalb von zehn Jahren erstritten die Konsumentenschützer für
Betroffene insgesamt rund 4,87 Mill. Euro (67 Millionen Schilling).
Davon wurden vier Millionen Euro (55 Millionen Schilling) schon vor
einer gerichtlichen Auseinandersetzung einbringlich gemacht, zog
Peter Kolba, Leiter der VKI-Rechtsabteilung, heute, Mittwoch, bei
einer Pressekonferenz in Wien Bilanz. Justizminister Dieter
Böhmdorfer (F) sprach sich in der Frage der Umstrukturierung des
Vereines für "einen möglichst unabhängigen VKI" aus.
Aufwändigstes Verfahren gegen Geldinstitute
Das aufwändigste Verfahren, das die Konsumentenschützer derzeit
beschäftigt, ist ein Banken-Rechtsstreit um nach Ansicht des VKI
überhöhte Zinsen, die Geldinstitute ihren Kunden vor einer vom Verein
angeregten Gesetzesnovelle im Jahr 1997 verrechneten. Im anhängigen
Einzelfall geht es zwar nur um 7.994 Euro (110.000 Schilling). Aber:
"Die Auswirkungen auf alle Kreditnehmer wären ungeheuerlich", so
Kolba über das Verfahren, in dem er noch in diesem Jahr auf ein
Urteil in erster Instanz hofft, um die Angelegenheit rasch vor den
OGH und damit zu einem Ende bringen zu können: "Wir tauschen
Schriftsätze aus, die Bücher sind."
Der Konsumentenschützer ziehen praktischen Nutzen nach sich
Die Klagen der Konsumentenschützer ziehen praktischen Nutzen nach
sich: So wurde etwa ein Verfahren gegen einen Möbelerzeuger gewonnen,
der eine Bettzeuglade so konstruiert hatte, dass sie von selbst
zuschnappte - ein Kind wurde dabei verletzt. Als klassisches Beispiel
für eine Sammelklage nannte Kolba die Ansprüche von 20 Teilnehmern
einer Reisegesellschaft, die auf einem Ägypten-Urlaub nach dem Genuss
eines Abendbüfetts schlagartig erkrankten. Zum Prozess kam es durch
die Intervention des VKI allerdings gar nicht mehr. "Der
Reiseveranstalter war sogar außergerichtlich bereit, unter Androhung
einer Sammelklage, die Ansprüche der Teilnehmer zu befriedigen." Seit
Anfang des Vorjahres ist der VKI auch legitimiert, gegen irreführende
Werbung vorzugehen, so Kolba.
Böhmdorfer gegen eine "Aufsplitterung" des Vereines
Im Vorjahr wurden 97 Musterprozesse abgewickelt: "Wir haben 27
Verfahren überwiegend positiv abgeschlossen und nur in drei Verfahren
verloren", erklärte Kolba. Außerdem standen 67 Verbandsklagen an, von
denen in fünf "Fällen mit Breitenwirkung" Sachurteile und beim Rest
Unterlassungserklärungen erreicht wurden.
In der Frage der Reform des VKI sprach sich Justizminister
Böhmdorfer gegen eine "Aufsplitterung" des Vereines aus. Ziel sei
Konsumentenschutz "unabhängig von allen Unterstützungen", so der
Minister, der die Doppelfunktion von Harald Glatz als VKI-Obmann und
AK-Abteilungsleiter "für nicht durchhaltbar" hält.
"Frei von Abhängigkeiten"
Über eine Neuordnung gebe es momentan mit dem Justizministerium
keine Gespräche. Er wolle den VKI "frei von Abhängigkeiten" sowohl in
personeller als auch finanzieller Hinsicht machen, so Böhmdorfer. Als
"Rohgedanken" zur Erreichung finanzieller Eigenständigkeit nannte er
die Einführung entgeltlicher Tests, die Ausgabe einer "Vorteilscard"
für Mitglieder oder das Angebot einer Rechtsschutzversicherung.
Derzeit erwirtschaftet der VKI rund 11,63 Mill. Euro (160
Millionen Schilling) seines Jahresbudgets selbst. Die vier
Sozialpartner und das Justizministerium schießen jeweils etwa 1,60
Mill. Euro (22 Millionen Schiling) zu. Dazu kamen Direktmittel für
die Rechtsabteilung in Höhe von 233.000 Euro (3,21 Mill. S). (APA)