Berlin - Sechzig Jahre nach der
Wannsee-Konferenz hat der britische Historiker Mark Roseman neue
Erkenntnisse über die Planung des Holocausts vorgelegt. Mit der
Konferenz vom 20. Jänner 1942 im Berliner Vorort Wannsee habe der
Chef des Reichsicherheitshauptamtes (RSHA), Reinhard Heydrich,
hochrangige NS-Funktionäre auf die "Endlösung der Judenfrage"
eingeschworen, sagte der Professor der Universität Southampton bei der Vorstellung seines Buches "Die Wannsee-Konferenz"
(Propyläen-Verlag).
Entgegen einer bisher weit verbreiteten Darstellung habe die
Konferenz aber nicht organisatorischen Fragen für den Holocaust
gegolten, sagte Roseman. Vielmehr hätten sich Heydrich und sein
Vorgesetzter, der SS-Chef Heinrich Himmler, der Unterstützung durch
die Ministerien versichern wollen, um unangefochten die Deportation
und die systematische Ermordung der Juden fortsetzen zu können.
Begriffe wie "Evakuation" seien auf der Konferenz als verschleiernde
Sprachregelung für den Massemord eingeführt worden.
Danach folgte der Genozid
Neue Archivfunde in den vergangenen zehn Jahren bieten nach
Darstellung Rosemans ein neues Bild über die Folgen der Konferenz.
Die zunächst nur auf einzelne Regionen Osteuropas beschränkte
Ermordung der Juden sei nach der Konferenz in den "totalen Genozid"
umgeschlagen.
Hitlers Weisungen zur so genannten "Endlösung" seien stets
unbestimmt gewesen. Er sei einem konkreten Mordbefehl immer wieder
aus dem Weg gegangen, sagte Roseman. Das Protokoll der Konferenz, das
nur mit einem Exemplar überliefert ist, sei ein "Schlüsseldokument"
für das Verständnis der NS-Pläne. In dem 21-seitigen Papier, das der
Ankläger beim Nürnberger Kriegstribunal, Robert Kempner, einbrachte,
ist von einer "vorherigen Genehmigung durch den Führer" für die
"Evakuation" der Juden die Rede. Erstmals wird auch die "Vernichtung
durch Arbeit" erwähnt.
(APA/dpa)