Berlin - Von außen sieht die Villa im Südwesten Berlins
idyllisch aus. Auch die Hinweisschilder warnen den unbefangenen
Besucher nicht vor den grauenvollen Verbrechen, die hier vor knapp 60
Jahren beraten wurden. Seit nunmehr bald zehn Jahren ist das Haus am
Wannsee-Ufer eine Gedenk- und Bildungsstätte. Durch schmiedeeiserne
Tore geht es den mit Kies bestreuten Weg durch den 30.000
Quadratmeter großen Park entlang zu dem Haus. Nur wenige Schritte
sind es vom Foyer zu dem Raum, in dem Spitzenbeamte der Ministerien
und der SS den Massenmord an Millionen Juden verwaltungstechnisch
umsetzen wollten.
Morde gab es bereits zuvor
"Es sind schon vorher viele Juden ermordet worden. Der Völkermord
hat nicht erst hier begonnen", begegnet der Leiter der Gedenkstätte,
Norbert Kampe, einem häufigen Irrtum. Im Dezember 1941, als ein
unmittelbar bevorstehendes Kriegsende ausgeschlossen war, habe Adolf
Hitler auf eine schnelle Lösung der so genannten "Judenfrage"
gedrängt. "Hier am Wannsee wurde geklärt, dass ausschließlich die SS
für die Juden-Frage zuständig ist und die Ministerien Hilfe zu
leisten haben.
Vom 20. Jänner 1942 an ist damit die gesamte deutsche Verwaltung
in den Völkermord verstrickt", sagt Kampe. Aus Anlass des 60.
Jahrestages der Wannsee-Konferenz sind eine Ausstellung und ein
umfangreiches Begleitprogramm geplant.
"Nutzung"
Die Nazis "nutzten" die Villa, die 1913 erbaut wurde, als Gästehaus
und Tagungsort für Konferenzen. Nach Kriegsende diente das Haus mit
einer Wohnfläche von 1.500 Quadratmetern von 1947 bis 1952 als
Heimvolkshochschule des August-Bebel-Instituts der Berliner SPD. Von
1952 bis 1988 war sie Schullandheim des Bezirks Neukölln. Dann
begannen umfangreiche Renovierungsarbeiten, bei denen unter anderen
der Blumengarten wiederhergestellt und der Brunnen im Haus
aufgestellt wurde. Zum 50. Jahrestag der Konferenz, am 20. Jänner
1992, öffnete die "Gedenk- und Bildungsstätte Haus der
Wannsee-Konferenz".
"Das Haus hat drei Abteilungen", erläutert Kampe die Einrichtung.
Eine Dauerausstellung dokumentiert die Konferenz und ihre
Vorgeschichte ab der Machtergreifung der Nazis 1933 bis zum Ende des
Zweiten Weltkrieges. Sie gibt Informationen über den gesamten Prozess
der Ausgrenzung, Verfolgung und Ermordung der Juden Europas. Jährlich
kommen nach Kampes Angaben 30.000 Besucher. Eine zweite Funktion
erfüllt das Haus als Bildungsstätte. Im Schnitt werden 38.000 Gäste
jährlich durch die 16 festen und etwa 30 freien Mitarbeiter betreut.
Besonders unter Studenten hat sich herumgesprochen, dass die
Mediothek, die dritte Abteilung des Hauses, gut bestückt ist.
Zahlreiche Dokumente zur NS-Geschichte liegen in Schrift, Bild und
Ton vor.
Veranstaltungen
Die Veranstaltungen zum 60. Jahrestag finden aus Platzgründen
überwiegend außerhalb des Hauses der Wannsee-Konferenz statt. So hält
Dieter Pohl vom Münchner Institut für Zeitgeschichte den
Gedenkvortrag am 20. Jänner 2002 in der Akademie der Künste in
Tiergarten. Eine Ausstellung mit dem Titel "Holocaust - Der
nationalsozialistische Völkermord und die Motive seiner Erinnerung",
die in Kooperation mit der Gedenk- und Bildungsstätte und anderen
Einrichtungen veranstaltet wird, zeigt das Deutsche Historische
Museum ab 17. Jänner im Kronprinzenpalais.
Ausführlich werden in der Ausstellung die Deportationen von Juden
aus zahlreichen europäischen Ländern in die Konzentrations- und
Vernichtungslager des Ostens dokumentiert. Zudem soll gezeigt werden,
wie man sich in Deutschland und im Ausland nach 1945 mit dem
Holocaust als Teil der deutschen Geschichte auseinander gesetzt hat.
Begleitet wird die Schau von einem umfangreichen Programm von Filmen
im Kino Arsenal am Potsdamer Platz und weiteren Vorträgen in der
Akademie der Künste.(APA/AP)