A, B, C, D und ich wollen essen gehen. "Unkompliziert", wünscht sich A. Locker, verlangt B,..
..."gemütlich", fordert C, und D sagt gar nichts. Der Vorschlag: Man trifft sich Sonntagmittag beim Chinesen. A, B und C. sind d'accord. D nicht: "Ohne mich! Bevor ich zu einem zweitklassigen Chinesen gehe, will ich lieber vegetarisch essen."Der fleischlose Vorschlag trifft A, B, C und mich per Mail und hart. A sagt: "Vegetarisch essen gehen nur Frauen oder Männer, die Frauen imponieren wollen, freiwillig geht da doch keiner hin.". B: "Super, die ganze Woche Kantinenfraß und am Wochenende zur Belohnung Tofu, na Mahlzeit!" C sagt nichts, schickt aber D im Geiste einen bösen Fluch. Ich halte nichts von bösen Flüchen im Geiste und schicke D ein Mail: "Lieber D, schön, dass wir uns zum Essen treffen. Ich höre, du hegst eine leise Intoleranz gegenüber chinesischer Küche und hast uns alle zum Gemüse-Lunch vergattert? Macht doch nichts! Wenn du erlaubst, werden A, B, C und ich vorher ein Schnitzel essen gehen und dann zu dir stoßen und dir dabei zusehen, wie du deine Körner filetierst. Also dann - bis Sonntag!"
D antwortet postwendend: "Liebe E, bin untröstlich, möchte der Gruppe nicht im Weg stehen, bin für jede Küche dieser Welt und jedes Lokal dieser Stadt total offen. Wohin immer ihr geht - ich folge euch! Bis bald! D (PS: Schnitzel? Wo?)" Ich leite Ds Mail sofort an C weiter. C ist entrüstet: "Das ist perfid! Erst diktieren, dann manipulieren! Was tun wir jetzt?" Eine weitere Umfragerunde ergibt: A ist es mittlerweile egal, Hauptsache unkompliziert. B nützt die neue Offenheit und offenbart jetzt: "Ich hab's sonntags gerne bürgerlich."
Sonntagmittag sitzen A, B, C, D und ich im vegetarischen Restaurant. Demokratie schmeckt seltsam.
derStandard/rondo/18/1/02
Jeder User hat das Recht auf freie Meinungsäußerung.
Die Kommentare im Forum geben nicht notwendigerweise die Meinung der Redaktion wieder.
Die Redaktion behält sich vor, Kommentare, welche straf- oder zivilrechtliche Normen verletzen,
den guten Sitten widersprechen oder sonst dem Ansehen des Mediums zuwiderlaufen
(siehe ausführliche Forenregeln),
zu entfernen. Der/Die Benutzer/in kann diesfalls keine Ansprüche stellen.
Weiters behält sich die STANDARD Verlagsgesellschaft m.b.H. vor, Schadenersatzansprüche
geltend zu machen und strafrechtlich relevante Tatbestände zur Anzeige zu bringen.