Österreich
Hepatitis-Anwalt will Hygiene-Gutachter klagen
Neues Gutachten stelle damalige Expertise im Blutplasma-Prozess angeblich in Frage
Wien - Laut "Wiener Zeitung" will der
Wiener Rechtsanwalt Hans Otto Schmidt den ehemaligen Gutachter im
Blutplasma-Prozess gegen die Plasma-Firma Seroplas, den Linzer
Hygieniker Helmut Mittermayer, auf 98 Mill. Schilling ( 7,12 Mill.
Euro) Schadenersatz klagen.Neues Gutachten stelle damalige Expertise angeblich in Frage
Der Grund laut der Tageszeitung: Ein neues Gutachten stelle
Mittermayers damalige Expertise in Frage. Letzterer hätte zwar die
Kausalität zwischen Plasmaspende und Hepatitis-Infektion bejaht, die
hygienischen Verhältnisse bei dem Unternehmen aber als ausreichend
bezeichnet.
259 Hepatitis-Opfer erhielten Entschädigungssumme
Eigentlich hätte mit einem geschlossenen Vergleich längst
Rechtsfriede eintreten sollen. 259 Hepatitis-Opfer, die sich bereits
in den siebziger Jahren beim Spenden von Blutplasma mit dem Virus
infiziert hatten, erhielten von der früheren Haftpflichtversicherung
der Firma Seroplas, der Wiener Städtischen, im Juni des Vorjahres
eine Entschädigungssumme von rund 130 Mill. S. (9,45 Mill. Euro).
Übertragung durch "mangelhafte Desinfektion der Zentrifuge"
In dem Musterverfahren am Landesgericht für Zivilrechtssachen
Wien, das der Einigung vorangegangen war, hatte der Linzer
Hygiene-Experte Univ.-Prof. Helmut Mittermayer ein Gutachten mit dem
genannten Ergebnis erstellt. Ein neues Gutachten des Grazer
Uni-Professors Harald H. Kessler im Rahmen der laufenden
Vorerhebungen gegen Mitarbeiter der Plasmapheresestelle in der Wiener
Gatterburggasse kommt nun offenbar zu einem anderen Ergebnis:
"Zusammenfassend ist festzustellen, dass ... offenbar Hygiene-Mängel
bestanden." Am wahrscheinlichsten - so das Gutachten laut "Wiener
Zeitung" - wäre eine Übertragung durch "mangelhafte Desinfektion der
Zentrifuge und der Beutel mit Schläuchen anderer Spender nach Platzen
eines Plastikbeutels" gewesen. Es hätte auch unsterile Scheren,
mangelhafte Handdesinfektion und weitere Mängel gegeben.
Klage gegen den Gutachter
Schmidt will nun mit einer Klage gegen den Gutachter reagieren.
Nur auf Grund der Expertise des Linzer Hygienikers sei das
Grundsatzurteil gedrückt worden. Hätte Mittermayer nicht die
Hygienemängel "heruntergespielt" ("Wiener Zeitung"), argumentiert
Schmidt, wäre die beim Vergleich erzielte Summe um 98 Mill. S (7,12
Mill. Euro) höher gewesen. Genau diese Summe verlangt nun der
Rechtsanwalt. Ein Aufforderungsschreiben soll den Gutachter demnach
in den nächsten Tagen erreichen.
Mittermayer steht Klage gelassen gegenüber
Mittermayer selbst wusste, als ihn die "Wiener Zeitung" befragte,
noch nichts von der Klage, die innerhalb Österreichs in dieser
Dimension einzigartig sein dürfte. Er erklärte: "Ich habe damals nach
bestem Wissen und Gewissen gehandelt, kann daher der Sache nur
gelassen gegenüber stehen." Ihm kämen die Vorwürfe jedenfalls
"absurd" vor. Möglicherweise handle es sich um einen "medialen Gag",
oder es sei - so die "Wiener Zeitung" - "durchgesickert", dass er
Gespräche geführt habe, in den jüngsten Hepatitisfällen in Wien, eine
Expertise zu übernehmen, mutmaßte der Primar. (APA)