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Ein Milliardär und 67 Jahre alt musste er werden, um draufzukommen, dass er eigentlich Luxusgüter verachtet und den ganzen korrupten und dekadenten Zirkus dahinter. Nicht umsonst hat sich Giorgio Armani so lange in der Schlangengrube gehalten, die da Modebusiness heißt. Der smarte Silberkopf hat übrigens auch schon Schmiergelder an Steuerfahnder gezahlt und wusste schon immer, wie man sich zur richtigen Zeit mit den richtigen Worten in Szene setzt - und seinen nie allzu modischen, in über 2000 Filialen weltweit vertriebenen "Brand" mit Unterwäsche, Parfum oder Möbeln nebenher gleich mit. "Neue Ehrlichkeit" Und jetzt kommt die "neue Ehrlichkeit", passend zum 11. September, das Geschäft kurbeln nun Arbeiter an, deren Hintern wirklich in die Designerjeans passen würden. Armani toppt den gegenwärtigen Trend zur - siehe New Yorks Feuerwehrmänner - Heroisierung der Trapper, Holzfäller und anderen Männern der Tat, die ihre Waschbrettbäuche nicht im Fitnessstudio modellieren. Da gab es Zeiten, wo der gelernte Schaufensterdekorateur, ehemalige Einkaufschef des Kaufhauses Rinascente und Medizinstudent aus dem norditalienischen Piacenza die gesamte Mailänder Cr`eme der Gesellschaft mit Entwürfen belieferte. Ab 1975, als er sich mit seinem Freund Sergio Galeotti selbstständig machte. Den schicken, 2000 sogar im Guggenheim museal gewürdigten Lifestyle, der immer dezent blieb und dessen Interpretation von "spießiger Fadesse" bis "zeitlos-elegantem Understatement" reicht, schätzten viele Celebrities der 80er-Jahre. Steven Spielberg trägt zur Oscar-Verleihung noch immer das schlichte Tuch. Sogar die offenbar stilbewusste italienische Kirche versorgte Armani mit Leder-Gebetsbucheinbänden. In dezentem Grau natürlich. Untouchables Kino-Liebhaber Armani, dem es zugute zu halten ist, noch immer einen von den großen Luxuslinern der Modeindustrie (wie etwa LVMH) völlig unabhängigen Familienbetrieb zu führen, verpasste den Untouchables und auch dem American Gigolo seinen letzten Schliff. Nach den Achtzigern kamen die Schulterpolster raus, und die Jacke ohne Innenfutter hing als "giacca destrutturata" bequem am Körper. Exzentrik und Kurzlebigkeit sind das Letzte, das bei Armanis Herrenmode zählt, und so ist es allzu klar, dass sehr viele unter den ewig gleichen grauen Managerkluften vom Designer stammen, der seine ersten Modelehrjahre bei Cerruti absolvierte. Privat erholt sich die stets tiefgebräunte Personalunion aus Manager und Kreativdirektor u. a. auf seinem gern in Lifestyle-Magazinen abgelichteten Domizil auf der Insel Pantelleria. Dort kann er dann in Ruhe den Luxus verachten und über vorgeschmutzte Workerjeans nachdenken. (DER STANDARD, Printausgabe 19./20.01.2002)