Berlin - Der umstrittene Nachbau des 1950 gesprengten Berliner Stadtschlosses könnte nach Meinung der Expertenkommission mit 665 Millionen Euro (1,3 Milliarden Mark) realisiert werden. Diese Schätzung, die von unabhängigen Finanzexperten erstellt wurde, liege eher im oberen Bereich, sagte Kommissionsleiter Hannes Swoboda am Freitagabend in Berlin. Der Nachbau sei nur mit einer Mischfinanzierung privater und öffentlicher Kapitalgeber denkbar. Die finanzielle Belastung von Berlin und Bund halte sich dabei in vertretbaren Grenzen. Der größere Teil der Gesamtbausumme, rund 435 Millionen Euro, könne durch den Verkauf von Aktien aufgebracht werden. Die Kommission, die mehrheitlich bei zwei Enthaltungen dem Konzept zustimmte, rechnet mit einem Engagement institutioneller Anleger. Ihnen solle eine Rendite von zwei Prozent jährlich auf das eingezahlte Kapital garantiert werden. Ein kleinerer Teil könne an Kleinanleger verkauft werden. Die öffentliche Hand müsste 230 Millionen Euro aufbringen. Dahlem soll aufgegeben werden Der Staatszuschuss könnte im wesentlichen durch das Aufgeben der Dahlemer Museen und der Amerika-Gedenkbibliothek kompensiert werden, womit umfangreiche Renovierungen gespart werden. Beide Einrichtungen sollen dann in das neue Schloss umziehen. Die Grundstücke seien attraktiv und zu einem guten Preis zu verkaufen, meinte Swoboda. Ein damit verbundener Abriss der Gebäude mit Ausnahme der denkmalgeschützten Teile in Dahlem sei denkbar. Swoboda appellierte an die Politiker, "die Empfehlungen und Begründungen im Detail anzuschauen, in Ruhe zu beraten und dann erst ihre Entscheidung zu treffen". Scharf wies er Vorhaltungen zurück, mit dem Nachbau des Stadtschlosses samt historischer Fassage entstehe ein "Disneyland": "Das ist schlicht und einfach falsch, eine völlig unangebrachte Formulierung." Niemand würde es wagen, die Museumsviertel in Paris oder Wien mit ihrer "spannenden Schnittstelle zwischen alt und neu" als Disneyland zu bezeichnen. Der Kommissionsvorsitzende rechnet damit, dass der Bundestag erst nach den Wahlen im September einen Beschluss zum Nachbau fassen werde. Ein Architektenwettbewerb sei nicht vor Mitte 2003 denkbar; bis zur Vollendung des für Berlin zentralen Baus könnten gut zehn Jahre vergehen. Mit dem Finanzierungsvorschlag ist die Hauptaufgabe der Kommission abgeschlossen, die am 20. Dezember einen Nutzungsvorschlag unterbreitet hatte. Das Gremium werde sich Anfang März noch einmal treffen, um die Begründungen zu formulieren. Swoboda selbst wird kommende Woche dem Kulturausschuss des Deutschen Bundestages über die Beratungen berichten. (APA/dpa)