Derzeit sind in Österreich rund 5,5 Millionen Menschen oder knapp 68 Prozent der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter, also zwischen 15 und 64 Jahre alt. Aufgrund des Alterungsprozesses der Bevölkerung wird diese Zahl bis 2030 um 316.000 sinken, das ist ein Minus von 5,7 Prozent.Dem steht gegenüber, dass heute auf 1000 Personen im Haupterwerbsalter 227 über 64-Jährige kommen. Diese "Altenquote" wird bis 2030 auf 396 - also um 75 Prozent - steigen (vgl. Grafiken). Diese Diskrepanz, die aus den aktuellsten Bevölkerungsprognosen der Statistik Österreich abzulesen ist, umreißt die gesellschaftliche Herausforderung, die die Alterung der Bevölkerung darstellt: Ein immer kleineres Potenzial an Erwerbstätigen muss die Altersvorsorge für ein immer größeres Reservoir an Nichterwerbstätigen erwirtschaften. Bedrohliches Szenario Am deutlichsten erkennbar wird dies an der Pensionsquote, für die der deutsche Ökonom Bert Rürup 1997 in seiner berühmten Studie für Österreich Bedrohliches errechnet hat: Im Jahr 2030 kämen demnach auf 1000 Erwerbstätige 980 Pensionisten. Die Finanzierung des Pensionssystems geriete außer Rand und Band: Sind derzeit knapp 86 Prozent der Pensionsausgaben in der Pensionsversicherung der Unselbstständigen durch Beiträge gedeckt, fiele dieser Prozentsatz bis 2030 auf 60 Prozent. Arbeitsmarkt im Fokus Die Diskussionen um die Pensionsreform, die an diese Analyse anknüpfte, konzentrierten sich auf Änderungen des Beitrags- und Leistungsrechts. Dabei sei der Arbeitsmarkt aber zu wenig im Blick behalten worden, monieren Christine Mayerhuber und Alois Guger vom Wirtschaftsforschungsinstitut. Aufgrund der Demographie drohe Österreich spätestens ab Mitte des kommenden Jahrzehnt eine eklatante Verknappung an Arbeitskräften. Markt und Politik werden darauf Antworten finden müssen. Die Aktivierung bisher nicht ausgeschöpfter Arbeitskräftereserven werde da zu einer zentralen wirtschaftspolitischen Herausforderung, schon allein, um das Wirtschaftswachstum nicht zu gefährden. Falsche Prämisse Deshalb sei Rürups Analyse in der Ausgangsprämisse falsch, nämlich der, dass die Erwerbsquoten konstant blieben. Unterstellt man nämlich für die kommenden 30 Jahre ein ähnliches Wirtschaftswachstum wie in den vergangenen 25 Jahren, dann würde die Erwerbsquote in Österreich auf jenes Niveau steigen, wie man sie heute schon in den skandinavischen Ländern registriert. Und dann wäre das Pensionssystem mit geringen Beitragsanpassungen auch 2030 durchaus zu finanzieren, weisen Guger und Mayerhuber in einer Modellrechnung nach. "Oder anders ausgedrückt: Wenn wir beim Pensionsantrittsalter dorthin zurückkommen, wo wir Anfang der 70er-Jahre waren - nämlich bei knapp 63 statt 58 Jahren für Männer und kaum anders für Frauen -, dann wäre das System weitgehend saniert", erklärt Guger. Österreich steht freilich dabei in der Europäischen Union nicht allein da. Die EU-Kommission hat seit Jahren immer wieder darauf hingewiesen, dass das Problem der Alterung der Gesellschaft nicht allein an der Finanzierbarkeit der Pensionssysteme aufzuhängen sei. Man müsse zugleich an der Arbeitsmarktentwicklung ansetzen, vor allem daran, dass ein - im Vergleich zu den USA - zu großer Teil der erwerbsfähigen Bevölkerung nicht aktiv ist. Eine Studie im Auftrag des EU-Finanzministerrats (Ecofin) errechnete Simulationen für die Entwicklung der Pensionsausgaben in den kommenden fünf Jahrzehnten. Bis 2030 werde demnach der Aufwand kontinuierlich ansteigen und dann den Höhepunkt erreichen, weil die "Babyboom-Generation" das Pensionsalter erreicht. Danach werde sich das Niveau der Ausgaben wider verflachen. Ausgabensteigerung Für Österreich ergaben sich dabei folgende Szenarien: In einem "pessimistischen" Szenario, das auf der Annahme beruht, dass die Beschäftigungspolitik in Österreich im wesentlichen unverändert bleibt, steigen die Pensionsaufwendungen von derzeit 14,5 bis 2030 auf 17,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Gelänge es aber, die Erwerbsquote deutlich anzuheben, könnte der Anstieg auf 15,8 Prozent beschränkt werden. Genau diese Strategie haben sich denn auch die EU-Länder beim Gipfel in Lissabon, im März 2000, auf ihre Fahnen geschrieben: Eine offensive Beschäftigungspolitik soll den zentralen Hebel zur Bewältigung des Strukturwandel und der Folgen der Alterung bilden. Davon abgeleitet wurden auch konkrete Ziele formuliert:
  • Die Gesamterwerbsquote in der EU soll bis 2005 von durchschnittlich 63 auf 67 Prozent erhöht werden. also 67 Prozent aller Europäer und Europäerinnen im erwerbsfähigen Alter sollen auch tatsächlich aktiv sein.
  • Die Erwerbsquote der Frauen soll von knapp 54 auf 57 steigen.
  • In der Altergruppe der 55-bis 64jährigen soll die Rate der Aktiven bis 2010 auf 50 Prozent steigen.
Zudem wurde den EU-Ländern die Hausaufgabe aufgetragen, bis 2010 seine Gesamterwerbsquote um zehn Prozent zu steigern. (Johannes Steiner, DER STANDARD, Printausgabe 21.1.2002)