Wirtschaft
Milderungsgrund Lebenswandel
Bank Burgenland: Neun Jahre Haft für Ex-Direktor Gassner - Strafe wurde um ein Jahr reduziert
Wien/Eisenstadt - Vergleichsweise war es fast eine Art von
Reumütigkeit. Der einst einflussreichste Banker des Burgenlandes, Ernst Gassner, bat
am Montagvormittag seinen
Berufungssenat am Wiener
Oberlandesgericht "um
Verständnis für mein Verhalten", das er damals "offensichtlich anders" gesehen habe, als es nun "rechtlich beurteilt worden ist". Unbescholtenheit
Das Verständnis hat der
ehemalige Generaldirektor der
Bank Burgenland nicht gefunden. Das erstinstanzliche Urteil über die Untreue des Ernst
Gassner - Höchststrafe von
zehn Jahren - wurde um bloß
ein Jahr reduziert. Und das
ausdrücklich nicht wegen
Gassners Zerknirschung, sondern, so Richter Werner Schittenhelm in der Urteilsbegründung, wegen der bisherigen
Unbescholtenheit und der
fehlenden Bereicherung.
"Wir alle", erklärte Gassner,
"sind wirklich einem geschickten Betrüger aufgesessen." Alejandro Gualterio
Hom-Rusch, Alexander Thom
also, habe "wirklich gute Fälschungen" vorgelegt. Die
deutsche Justiz war zu einem
anderen Schluss gekommen,
Thom bekam fünf Jahre Haft,
die er als Freigänger verbüßen
darf. Die Berliner Richter
rechneten dem Mann, der die
Bank Burgenland um zumindest 1,8 Mrd. S (130,8 Mio. Euro) erleichtert hatte, das Ösitum der Bank als Milderungsgrund an, analog zum Dieb,
der ein Auto stiehlt, in dem
der Zündschlüssel steckt.
"Massiver Druck"
Warum in der Bank Burgenland der Zündschlüssel
gesteckt hatte, konnte auch
das Wiener Oberlandesgericht
nicht klären. Gassner selbst -
der vor der ersten Instanz in
geradezu selbstschädigender
Weise die Rolle des mit allen
Wassern gewaschenen Bankers spielte - gab am Montag
erstmals einen kleinen Hinweis. Hom-Rusch habe ab einem gewissen Zeitpunkt ihn
und die Bank "unter massiven
Druck" gesetzt. 400 Arbeitsplätze seien unmittelbar in
Gefahr gewesen. "Als Landesbank hat man auch solche Aspekte zu berücksichtigen."
Wobei er allerdings offen
ließ, ob diese dem Aktienrecht
hohnsprechende Berücksichtigung aus eigenem Antrieb erfolgte oder wiederum unter
massivem Druck, was die empörte Charakteristik des Urteils durch Gassners Sohn -
"Politjustiz" - einigermaßen
karikierte. Denn das einzig
Politische an diesem Prozess
war Gassners diesbezügliche
Schweigsamkeit.
Zweiter Akt
Mag sein, im zweiten Akt
der pannonischen Tragödie
ergeben sich tiefere Einblicke.
Ab 28. Februar stehen Manfred Schneider und Günter
Widder, die Vorstandskollegen Gassners, in Wiener Neustadt vor Gericht. Staatsanwältin Barbara Unger wirft
den beiden Untreue und Verletzung des Aktiengesetzes
vor. Und so wie bei Gassner
fehlt auch bei seinen Kollegen
jeder Hinweis auf mögliche
persönliche Bereicherung.
Diese eine Frage bleibt also
weiter im Ungewissen: Wo ist
eigentlich das ganze Geld? (Wolfgang Weisgram, DER STANDARD, Printausgabe 22.1.2002)