Wirtschaft
Industrie glaubt an baldigen Aufschwung
Wirtschaftsbelebung im zweiten Quartal des heurigen Jahres erwartet - Konjunkturelle Talsohle erreicht - Dennoch Beschäftigungsrückgang
Wien - Auf Basis der Daten ihrer jüngsten Konjunkturumfrage vom Dezember erwartet die Industriellenvereinigung (IV) eine baldige wirtschaftliche Erholung in Österreich. Zwar schätzt die Mehrheit der 500 befragten Unternehmen die konjunkturelle Situation weiterhin eher pessimistisch ein, dennoch sei die Trendwende vor allem am vorausschauenden Indikator "erwartete Geschäftslage in sechs Monaten" bereits abzulesen. Etwas optimistischer als zuletzt die beiden heimischen Prognoseinstitute Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) und Institut für Höhere Studien (IHS) sagte IV-Chefökonom Erhard Fürst daher am Montag eine wirtschaftliche Belebung bereits für das zweite Quartal des heurigen Jahres voraus.
Wirtschaftsfreundliche Rahmenbedingungen
Seinen Optimismus schöpft Fürst aus den derzeitig wirtschaftsfreundlichen Rahmenbedingungen niedriger Zinsen, geringer Inflationsrate, günstiger Öl- und Rohstoffpreise, den Erholungstendenzen in den USA als auch auf den Aktienmärkten sowie der Euroeinführung. Als Risikofaktoren seiner Prognose nannte Fürst den Kollaps der argentinischen Wirtschaft, der aber bis dato nicht auf andere Schwellenländer übergegriffen hätte, sowie die ungünstige Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt, die auf der Stimmung der Konsumenten laste. Auch die Industriebeschäftigung werde heuer um ein Prozent oder 4000 Mitarbeiter schrumpfen, da der Arbeitsmarkt immer zeitverzögert auf den Konjunkturverlauf reagiere, so Fürst.
Weiterhin belastend für die Exportwirtschaft wirke sich die angespannte Situation in Deutschland, Österreichs wichtigstem Aushandelspartner, aus. Auch der zuletzt gestärkte Eurokurs verteure die Ausfuhren.
Richtiger Schub 2003
Die IV rechnet für heuer mit einem Wirtschaftswachstum in Österreich von "etwas über einem Prozent", auch die Industrieproduktion werde um ein Prozent zulegen. Der "richtige" Aufschwung wird - im Gleichklang mit den Erwartungen für die USA und die Eurozone - für 2003 erwartet. Die Wirtschaftsforscher haben für heuer ein Wachstum des Bruttoinlandsproduktes um 1,2 Prozent (Wifo) beziehungsweise 1,6 Prozent (IHS) vorausgesagt. In jedem Fall sind das Werte, die deutlich über den Erwartungen für das Wirtschaftswachstum in Deutschland liegen, die die Regierung in Berlin soeben von 1,25 Prozent auf 0,75 Prozent nach unten revidiert hat.
Die Ergebnisse der Konjunkturumfrage interpretierte Fürst mit einer Abschwächung der negativen Einschätzungen aus dem dritten Quartal. So wird sowohl die derzeitige, als auch die Geschäftslage in sechs Monaten von der Mehrheit der Betriebe nach wie vor pessimistisch, aber optimistischer als im Herbst eingeschätzt. Den am stärksten negativen Saldo aus den Einschätzungen der befragten Unternehmen, die rund 223.000 Mitarbeiter repräsentieren, ergab die Frage nach dem Beschäftigungsverlauf.
Kein Grund zum Jubeln
Mehr als ein Drittel aller Industriebetriebe rechnet in den nächsten drei Monaten angesichts dürftiger Produktions-und Exporterwartungen mit einem Sinken der Beschäftigtenzahl. Unterm Strich bestehe daher "kein Grund zum Jubeln, aber die Talsohle scheint erreicht". Vor allem bei der Geschäftslage in sechs Monaten ergaben die Antworten einen Negativsaldo von minus zwölf gegenüber dem Herbstergebnis von minus 23.
Von 17 erfassten Branchen sind die Sparten Papierverarbeitung, Fahrzeug, Chemie, Nahrungs- und Genussmittel, Gießerei und Textil mit dem Auftragsstand zufrieden. Auftragsschwächen beklagen Bergwerke, Eisenerzeugung, Papiererzeugung, Lederverarbeitung und die Elektroindustrie. (miba, DER STANDARD, Printausgabe 22.1.2002)