International
Solana fordert Behandlung der Inhaftierten als Kriegsgefangene
EU-Koordinator mahnt zur Einhaltung der Genfer Konvention - Weitere Gefangene nach Guantanamo deportiert
Madrid/Guantanamo/London - Der Außenpolitik-Koordinator der
Europäischen Union (EU), Javier Solana, hat eine Behandlung der
Gefangenen aus Afghanistan als Kriegsgefangene nach der Genfer
Konvention gefordert. Diese Regeln des Völkerrechts müssten auf die
Männer der Taliban und der El-Kaida-Organisation angewandt werden,
sagte Solana am Montag im Fernsehen. Die USA betrachten die Häftlinge
als "illegale Kämpfer" und nicht als Kriegsgefangene. Inmitten der angeheizten Debatte
über die Behandlung der mutmaßlichen Taliban- und El-Kaida-Kämpfer
auf dem US-Stützpunkt Guantanamo sind weitere 34 Gefangene aus
Afghanistan nach Kuba gebracht worden. Damit ist die Zahl der
Internierten in dem Gefangenenlager nach offiziellen Angaben auf 144
gestiegen. Behandlung stimme "weitgehend mit der Genfer Konvention" überein
US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld hatte am Sonntag Kritik an
der Behandlung der Gefangenen zurückgewiesen. Es sei unfair, davon zu
sprechen, dass solche "eingefleischte Terroristen" inhuman behandelt
würden, sagte er. "Meiner Ansicht nach gibt es keinen Zweifel daran,
dass sie menschlich und angemessen ist und weitgehend mit der Genfer
Konvention übereinstimmt." Die Männer erhielten eine exzellente
medizinische Versorgung und drei ihrer Kultur entsprechende
Mahlzeiten am Tag. "Sie haben saubere Kleidung und sie sind trocken
(untergebracht) und in Sicherheit", sagte er.
Prozess vor "Militärkommissionen" in Guantanamo
Die Neuankömmlinge vom Sonntag (Ortszeit) waren an den Beinen
gefesselt. Sie trugen knallorange Overalls, einen Mundschutz wie
Chirurgen und geschwärzte Brillen. Ein Militärsprecher in Guantanamo
erklärte: "Ich würde das nicht als Folter bezeichnen, eher als eine
angebrachte Sicherheitsmaßnahme." US-Verteidigungsminister Donald
Rumsfeld sagte vor Journalisten in Washington, die gegen die USA
erhobenen Vorwürfe stammten von Leuten, die keine ausreichenden
Informationen über die Unterbringung der Gefangenen hätten. Der
Minister deutete zudem an, dass den Inhaftierten wahrscheinlich vor
"Militärkommissionen" in Guantanamo der Prozess gemacht werden soll.
Da Guantanamo nicht auf amerikanischem Boden liegt, hätten
Verurteilte keine Möglichkeit, vor einem US-Gericht Berufung
einzulegen. auch betrachten die USA die Häftlinge nicht als
Kriegsgefangene, sondern als "unrechtmäßige Kämpfer" (Unlawful
Combatants).
Britische Regierung akzeptiert Behandlung der Gefangenen durch die USA
Ein Beobachterteam habe bestätigt, dass die drei Briten unter den
Gefangenen keine Beschwerden hätten, erklärte das Büro des britischen
Premierministers Tony Blair am Montag. Sie seien bei guter
Gesundheit, es gebe keine Anzeichen von Misshandlung und sie stünden
in Kontakt mit dem Roten Kreuz. Die Versicherung der USA, dass die
Gefangenen menschlich behandelt würden, werde akzeptiert. Auch die
schwedische Außenministerin Anna Lindh rief die USA am Montag auf,
den Gefangenen mit schwedischer Staatsbürgerschaft fair zu behandeln.
Die britische Regierung hatte die USA am Sonntag um eine Erklärung
für Fotoaufnahmen gebeten, die die Häftlinge unter anderem mit Masken
vor Mund und Nase und Fausthandschuhen zeigen. Ein US-Militärsprecher
sagte, die Bilder seien kurz nach der Ankunft der Gefangenen auf
Guantanamo entstanden. An Bord eines C-141-Frachtflugzeugs werde es
sehr kalt, daher hätten die Männer auf dem Flug von Afghanistan nach
Kuba Mützen und Handschuhe getragen. Die zugeklebten Schutzbrillen,
die auf den Fotos zu sehen sind, begründete der Militärsprecher mit
Sicherheitsaspekten.
"Wie die Tiere eingepfercht"
In Berlin protestierte FDP-Generalsekretärin Cornelia Pieper, es
sei unglaublich, wie die internierten mutmaßlichen Taliban- und
El-Kaida-Kämpfer behandelt würden. Anders als die britische Regierung
sehe die Bundesregierung untätig zu. Pieper forderte die Berliner
Regierung auf, bei den amerikanischen Verbündeten für Verbesserungen
einzutreten. Die internierten Afghanen müssten wie Kriegsgefangene
behandelt und dürften "nicht wie Tiere eingepfercht" werden, sagte
sie. Menschenrechte seien unteilbar.
Weitere vier Afghanen festgenommen
Bei einer Kommandoaktion in Ost-Afghanistan haben US-Soldaten am
Montag vier Männer festgenommen. Die Afghanen aus einem Dorf nahe der
Stadt Khost sollen vermutlich Hinweise auf einen flüchtigen Minister
des gestürzten Taliban-Regimes geben, berichtete die in Pakistan
ansässige afghanische Nachrichtenagentur AIP. Das Kommando sei am
Morgen mit mehreren Hubschraubern in der Ortschaft Sani Kheil
gelandet und habe einen Mann namens Siradschuddin und drei weitere
Bewohner aufgegriffen. Siradschuddin habe angeblich den
Taliban-Minister Dschalaluddin Hakkani beherbergt, als sein Haus im
November von US-Flugzeugen bombardiert worden sei. Seitdem sei der
Taliban-Minister verschollen. Die vier Festnahmen könnten nach
Angaben von Dorfbewohnern aber auch mit dem Tod eines US-Soldaten zu
tun haben. Der am 4. Januar getötete Soldat gehörte zu einem
Erkundungsteam, das Vorwürfe über zahlreiche zivile Opfer bei einem
US-Angriff untersuchen sollte. (APA/Reuters)