Der Kreis steht für das Weibliche und Matriarchale schlechthin. ArchäologInnen wiesen auf die Häufigkeit von runden Häusern und runden Herden in den frühen matristischen und matrifokalen Siedlungen hin. So wie der (runde) Herd mit der Vorstellung eines geschützten – sakralen – Raumes in Verbindung stand, so war es der Kreis, der wiederum mit der Idee von Zentrum und Mutterland assoziiert wurde. Der Kreis war auch ein Göttinnen-Symbol, wie bereits anhand des Frauenzeichens, des Venusspiegels und des Vollmondes angemerkt.

Gleichheit und Ganzheit

Der Kreis und das Runde gelten als Symbol für Gleichheit und Demokratie – als ein Mehr davon, als wir uns vorstellen können. Es ist ein System ohne Anfang und Ende, ohne unten und oben, ohne Hierarchie; Ganzheit und Holismus. Der Kreis bezeichnet laut Barbara Walker die "Teile eines ungebrochenen Kontinuums, in dem Geburt und Tod, Licht und Dunkelheit ... in einem ganzheitlichen Ideal vereint sind. Das war die alte feminine Sichtweise" (Die geheimen Symbole der Frauen). So wie die Schlange, die sich in den Schwanz beißt – der Shen-Ring – die Idee vom Kosmos als einen ungebrochenen Kreis wiedergibt.

"Am Anfang war das Weltenei"

Die vorpatriarchalen Schöpfungsmythen der MehrgöttInnen-Religionen beginnen alle ähnlich, wie dies am Beispiel des pelasgischen Mythos vom Weltei ersichtlich wird. Hier ist die älteste bekannte Vorstellung über die Geburt allen Lebens durch eine Frau überliefert: Göttin Eurynome, die "Schöpferin aller Dinge" verwandelt sich in eine Taube und legt das Weltenei, dem alle Dinge der Erde entspringen.

Während das Runde die antike Symbolik dominiert – großer Kreis, kosmisches Ei, Blase, Spirale, Mond, Null, Rad der Zeit, Mutterschoß, Gefäße – drückt sich die Linearität des Patriarchats in der geraden geometrischen Formensprache aus: phallische Symbole wie Kreuz, Obelisk, Alpha und Omega etc. symbolisieren Gegensätze und damit Hierarchisierung.

Brauchtum

Auch die sakralen Tänze des Heidentums waren – und sind es heute als überlieferter Brauch – kreisförmig. Das bedeutet/e zum einen, dass alle TeilnehmerInnen gleich sind, zum anderen galt/gilt die Vorstellung des geschlossenen Kreises als Schutz- und Energiewall. Walker weist darauf hin, dass im ersten Jahrhundert v.u.Z. Zauberer auch "Kreiszeichner" genannt wurden. Der prähistorische Steinkreis von Stonehenge hatte auch den Namen "Tanzplatz". Und wer kennt nicht die Ritter-Tafelrunde des Artus? Das heißt, dass noch im Mittelalter der Kreis mit Gleichheit assoziiert worden ist. (dabu)