Banken
FBI ermittelt wegen Aktenvernichtung
Wirtschaftsprüfer blieben trotz Zweifel an Bilanzpraktiken inaktiv - Mehr als eine Milliarde Dollar Schulden an europäische Handelspartner
Houston/London - FBI-Beamte haben am Dienstag in der Firmenzentrale des zusammengebrochenen US-Energiekonzerns Enron Ermittlungen wegen des Verdachts auf Aktenvernichtung aufgenommen. Die Dokumente sollen nach Beginn der staatlichen Ermittlungen zerstört worden sein. Eine ehemalige Enron-Managerin hatte dem Fernsehsender ABC berichtet, die Vernichtung der Dokumente habe im November begonnen und sei bis letzte Woche weitergegangen. Ermittler des US-Kongresses kündigten unterdessen in Washington an, dass führende Manager der für Enron tätigen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Arthur Andersen für eine Anhörung am Donnerstag vorgeladen werden. Ein ehemaliger Wirtschaftsprüfer hatte kürzlich zugegeben, dass Enron-bezogene Akten vernichtet wurden. Außerdem gibt es Vorwürfe, dass die Prüfer trotz Zweifel an den Bilanzpraktiken des Konzerns nicht aktiv wurden.
Die engen Verbindungen zu Enron könnten auch US-Präsident George W. Bush in Bedrängnis bringen. So hatte der Präsident des Unternehmens, Lawrence Whalley, im Finanzministerium um Hilfe bei den Verhandlungen mit den Banken gebeten.
Verlustbringende Kontrakte
Enron schuldet seinen Handelspartnern
mehr als eine Mrd. Dollar (1,1 Mrd. Euro/15,6 Mrd. S). "Aus
Out-of-the-Money (verlustbringenden) Kontrakten wird den
Gegenparteien mehr als eine Mrd. Dollar geschuldet", sagte der für
Enron verantwortlicher PwC-Partner Neville Kahn am Mittwoch der
Nachrichtenagentur Reuters.
Enron Capital Trade Resources (ECRTL) steht seit November unter
Konkursverwaltung durch die Wirtschaftsprüfung PricewaterhouseCoopers
(PwC). PwC erwartet, etwa 100 Mill. Dollar aus den derzeit offenen
Kontrakten zu erwirtschaften, womit die Gläubiger einen Schaden von
rund 900 Mill. Dollar zu verkraften hätten. Unter Zwangsverwaltung entließ ECRTL rund 1.100 Mitarbeiter und hielt mit einer Kernmannschaft von 150 Personen einen Teil des
Handelsbetriebs in Großbritannien aufrecht.
Zur Zeit des Zusammenbruchs im November hielt Enron den Angaben
zufolge rund 250.000 offene Terminkontrakte mit entsprechenden
Liefer- oder Zahlungsverpflichtungen. Enron sei zudem komplizierte
Handelsverträge mit Banken eingegangen, was die Verluste vervielfacht
habe, sagte ein Analyst.
Als einer der Handelspartner bezifferte der britische Gasanbieter
Centrica im November seine möglichen Verlust mit 30 Mill. Pfund (48,7
Mill. Euro/671 Mill. S) auf Termingeschäften mit Enron. Die deutsche
RWE nannte mögliche Verluste in einer Höhe zwischen zehn und elf
Mill. Euro (bis zu 151 Mrd. S). (APA/Reuters)