Wien - Das Lob von US-Präsident George W. Bush für das relativ rasche Zustandekommen eines Entschädigungsfonds in Höhe von 210 Mio. Dollar (3,28 Mrd. S/238 Mio. Euro) für die Opfer des Holocaust hat die österreichische Bundesregierung freudig entgegengenommen. Der heimischen Wirtschaft aber, die einen wesentlichen Beitrag dazu leistete, das Geld in so kurzer Zeit zusammenzubringen, hat sie es schlecht gedankt. Das Finanzministerium verweigert zumindest den Versicherungen die steuerliche Berücksichtigung der Bildung von Rückstellungen für die Dotierung dieses Fonds.Vorgeschichte Zur Vorgeschichte: Die zugesagten Gelder - davon 45 Mio. Dollar von den österreichischen Banken, 25 Mio. Dollar von der Versicherungswirtschaft, zehn Mio. Dollar von der Industrie sowie 15 Mio. Dollar von der Wirtschaftskammer - konnten bis jetzt nicht abgerufen werden, da vereinbarungsgemäß mit der Auszahlung erst nach Erledigung aller Klagen in den USA begonnen wird. Derzeit sind noch zwei Klagen offen. Aus diesem Grund konnten die Unternehmen, die dabei mitmachten, den zugesagten Betrag nicht als steuermindernde Betriebsausgaben geltend machen, wie im Entschädigungsfondsgesetz zugesagt wurde, sondern wollten ihn vorsorglich ebenso steuermindernd rückstellen. Dabei spielte das Finanzministerium allerdings nicht mit. Einer entsprechenden Anfrage des Versicherungsverbandes, der um eine einheitliche Regelung für seine Mitglieder bemüht war, wurde eine glatte Absage erteilt. "Verbindlichkeits- und Drohverlustrückstellungen" Gemäß § 9 Einkommensteuergesetz (EStG) 1988 können nur "Verbindlichkeits- und Drohverlustrückstellungen" steuerlich anerkannt werden, beschied Sektionschef Wolfgang Quantschnigg den Versicherern im Namen des Bundesministers. Da ein Unternehmen, das sich bereit erklärt habe, Zahlungen an den Entschädigungsfonds zu leisten, diese Leistungszusage "freiwillig" eingehe, liege keine (ungewisse) Verbindlichkeit vor, die im Jahr der drohenden Inanspruchnahme rückgestellt werden könnte. Mit anderen Worten: Weil die Versicherungen dem sanften Druck der Bundesregierung nachgaben und "freiwillig" ihren Obolus zum Entschädigungsfonds leisteten, werden sie nun steuerlich über den Tisch gezogen. Die Erkenntnis von Quantschnigg kam umso überraschender, als er in seinem Kommentar zum EStG noch davon ausging, dass Kulanzleistungen steuermindernd rückgestellt werden können. Wörtlich heißt es dazu: "Rückstellungen sind zu bilden, wenn sich der Steuerpflichtige derartigen Aufwendungen aus tatsächlichen Gründen (insbesondere geschäftlichen Rücksichten) nicht entziehen kann." Auch Werner Doralt, Ordinarius für Finanzrecht an der Uni Wien, weist darauf hin, dass das EStG ausdrücklich Rückstellungen für nicht einklagbare Kulanzfälle vorsieht. (Günter Baburek, DER STANDARD, Printausgabe, 23.1.2002)