Bühne
Verstrickung der Bühnen in das NS-Unrechtssystem
Mindestens 173 NS-Zwangsarbeiter waren an deutschen Theatern beschäftigt
Köln/Düsseldorf - An deutschen Bühnen waren während der
NS-Zeit mindestens 173 Zwangsarbeiter beschäftigt. Dies ist das
bisherige Ergebnis einer Befragung des Deutschen Bühnenvereins bei
den knapp 150 Theatern. Die 173 Kriegsgefangenen und Verschleppten
aus vielen Ländern Europas, die "bisher definitiv" ermittelt worden
seien, hätten zumeist als Hilfskräfte im Transportwesen, als
Bühnenarbeiter oder -maler arbeiten müssen. Dies sagte der Direktor
des Bühnenvereins, Rolf Bolwin, am Mittwoch in Köln. In Einzelfällen
waren sie aber auch im künstlerischen Bereich, etwa als Schauspieler
oder Tänzer, eingesetzt. "Nur in seltenen Fällen" habe sich die Adresse heute noch lebender
ehemaliger Zwangsarbeiter herausfinden lassen. An eine finanzielle
Entschädigung werde nicht gedacht, sagte Bolwin. Dies sei durch den
Fonds von Wirtschaft und Bund durch die Beteiligung der
theatertragenden Kommunen bereits geschehen.
15 Bühnen forschen noch weiter
Bolwin schätzt, dass möglicherweise nicht wesentlich mehr Menschen
als Zwangsarbeiter den damaligen Bühnen zugeteilt worden seien. Die
aus Archivunterlagen ermittelte Zahl je Bühne schwanke von einem bis
zu zwei Dutzend Zwangsarbeitern. Von den 144 angeschriebenen Theatern
in ganz Deutschland hätten 137 geantwortet. "Nichts oder noch nichts"
hätten 76 Häuser in ihren Unterlagen ermitteln können, an 15 Bühnen
werde weiter geforscht, sagte Bolwin.
Die bisher vorliegenden Ergebnisse der Befragung des vergangenen
Jahres sind für den Präsidenten des Bühnenvereins, Jürgen Flimm, "ein
wichtiges Stück dringend notwendiger Erinnerungsarbeit" und zeigten
die Verstrickung auch der Bühnen in das NS-Unrechtssystem.
Zufällig gefundenes Schriftstück von 1944 startete die Diskussion
Die Gremien des Bühnenvereins wollen nun prüfen, wie die
Unterlagen weiter ausgewertet werden können. Den Mitarbeitern des
Düsseldorfer Stadtarchivs war im vergangen Jahr zufällig ein Schriftstück von 1944
zum Einsatz von Zwangsarbeitern an der Städtischen Oper in die Hände
gefallen. Darauf hin war das Thema zum Diskussionspunkt bei der
Jahreshauptversammlung des Bühnenvereins geworden.(APA/dpa)