Ökologie
Katastrophe wird zum Politikum
Lebensmittel erreichten Goma
Nairobi/Goma - Erste große Lebensmittellieferungen der
UNO haben am Mittwoch die nach einer Vulkankatastrophe zerstörte
Stadt Goma im Osten Kongos erreicht. Menschen standen an zehn
Ausgabestellen Schlange, an denen das UN-Welternährungsprogramm (WFP)
Mais, Öl und andere Hilfsgüter verteilte. Neben Erleichterung machte
sich auch Empörung breit: Zwei Tage vor dem verheerenden Ausbruch des
Nyiragongo hat ein kongolesischer Vulkanologe nach eigenem Bekunden
massiv vor einem drohenden Vulkanausbruch gewarnt. Diese Information
sei jedoch von den die Region kontrollierenden Kongo-Rebellen
ignoriert worden, sagte Dieuxdonne Waffula in Goma. "Ich habe die Verwaltung der Rebellen davor gewarnt, dass eine
schwere Eruption unmittelbar bevorsteht", sagte der Experte von der
Vulkan-Beobachtungsstation Goma am Mittwoch. Der Lavastrom habe sich
zu diesem Zeitpunkt bereits auf die Stadt zubewegt. Die
Guerillaorganisation "Kongolesische Bewegung für Demokratie" (RCD)
habe darauf nicht angemessen reagiert.
Ein RCD-Sprecher in Goma dementierte dies. "Es gab keine
ausdrücklichen Hinweise darauf, dass die Katastrophe so unmittelbar
bevorstand", sagte ein Sprecher, Bizima Karaha. "Waffula hat bereits
seit sechs Monaten wiederholt vor einem Ausbruch gewarnt. Den genauen
Zeitpunkt konnte er nicht vorhersagen", sagte er. "Wir hätten die
Bevölkerung nicht dauernd aus der Stadt leiten können. Damit hätten
wir sie nur in Panik versetzt."
Die RCD und ihre Verbündeten aus Ruanda hätten der Vulkanstation
alle Hilfe zur Verfügung gestellt, um den zehn Kilometer entfernten
Nyiragongo zu beobachten, hieß es. "Seit dem Morgen des
verhängnisvollen Donnerstags haben wir die Menschen in Goma stündlich
informiert und sie schließlich aufgefordert, die Stadt zu verlassen."
Bewohner bestreiten dies: "Sie haben uns im Stich gelassen und sich
an uns bereichert", sagte ein Mann in Goma.
Ihre Empörung und Wut richtet sich erstmals seit Jahren zunehmend
gegen die Rebellen und ihre Unterstützer im Nachbarland Ruanda. Seit
1998 bekämpft die RCD die Regierung im 1.600 Kilometer entfernten
Kinshasa. Nach Jahren des Krieges verbindet die Menschen in Goma
keine intakte Straße mehr mit ihrer Hauptstadt.
Hilfsversprechen
Während die Hilfsversprechen ihres jungen Präsidenten Joseph
Kabila durch den dichten Dschungel kaum bis zur Bevölkerung drangen,
spitzten die Rebellen die Ohren. Neben Geld hatte Kabila die
erstmalige Entsendung von Regierungsvertretern nach Goma seit
Ausbruch des Bürgerkriegs vor drei Jahren angekündigt. "Wir
akzeptieren keinen Besuch aus Kinshasa und lassen nur Hilfe durch
Organisationen zu", reagierte RCD-Sprecher Jean-Pierre Lola. Kabila
wolle polarisieren und solle jetzt bloß nicht versuchen, die
Katastrophe für sich auszunutzen.
Das allerdings hätten die Rebellen schon längst besorgt, meinte
ein Stadtbewohner. "Im Chaos des Flüchtlingsstroms kamen sie mit den
ruandischen Soldaten und plünderten Essen, Elektrogeräte und alles,
was ihnen in die Finger kam", sagt Antoine Simueray. In ihm wie
vielen anderen Bewohnern der Trümmerstadt hat das Inferno den Wunsch
nach einem endgültigen Frieden nur noch verstärkt. "Kabila", sagt ein
anderer Mann, "hat hier jetzt bessere Karten denn je." (APA/dpa)