Drum'n'Bass? Nie gehört, was soll das sein?! Die besten Lieder werden ohnehin seit ewig im Bereich des Snare'n'Cymbal geschrieben. Die Tragödie unserer Tage, so wir unser Augenmerk kurz einmal auf die musikalische lenken, basiert laut Richard Hawley darauf, dass die Basstrommel viel zu viel Raum bekommt. Wo die Basstrommel regiert, macht die Inspiration Pause. Wenn es Bumm macht, braucht ja auch niemand eine Idee zu haben. Richard Hawley kennt sich dabei insofern aus, als er unter anderem schon mit den mittlerweile Mitte Zwanzig gewordenen und also auseinander gegangenen Girlbands All Saints arbeitete, die in ihren Songs immer sehr, sehr viel Bass hatten. Drum'n'Bass ist also nicht satisfaktionsfähig, weil: bei Snare'n'Cymbal muss zur Qualitätssteigerung auch noch gesungen werden! Lee Hazlewood, Frank Sinatra, mehr aber noch Dean Martin, der klingt schmieriger und geiler. Ein Flohsack französischer und amerikanischer Fönwellen- und Schnurrbart-, nein, Moustache!!!-Träger mit Akustikgitarren und Poesiebüchern aus den frühen 70er-Jahren. Bitte jetzt nicht Tim Buckley, sondern Tom Rush sagen! Die Byrds und Gram Parsons, das versteht sich. Gevatter Leonard Cohen. Zur Not um Gottes Willen auch die Beatles und alles, was deswegen danach Vegetarier und Schlappschwanzrocker mit einem Abonnement auf Streichquartette bei Balladen wurde. Wobei uns jetzt gerade einfällt, dass Simon & Garfunkel eh nicht sooo schlecht waren, wie wir immer tun. Wir merken, mit der so genannten Moderne hat der britische Songwriter Richard Hawley trotz seiner jungen Jahre eher wenig bis gar nichts am Hut. Der ehemalige Gitarrist der unglückseligen und chronisch erfolglosen Britpop-Band The Longpigs, der sich mittlerweile sein Geld neben Studiojobs für Krethi und Plethi als fixer freier Gitarrist bei Jarvis Cocker und Pulp verdient, demonstriert nach einer Mini-Lp auf seinem ersten regulären Album, Late Night Final , dass er nicht nur die selben musikalischen Vorlieben wie sein neuer Arbeitgeber hegt. Mit tief gelegtem, aber sympathischerweise etwas fehlerhaftem Barsänger-Timbre und Moll-Akkorden nölt sich Hawley über getragene Melodien auch in ähnliche Herzschmerz-, Einsamkeits- und Verlassenheits-, Mama-hilf-mir!-Bereiche wie Jarvis Cocker. Allerdings wäre das auf die Dauer ohne doppelten Boden ziemlich unerträglich - wenn hier jemand noch dazu oft von der Stimmung her auch noch Elvis Presley in dessen heftigster postpubertärer Blue Moon- Leidensphase nachstellt, mit verhallten Gitarrenmelodien und Ejaculatio-praecox-Tremolo kurz bei Roy Orbison auf Tranquilizer vorbeischaut und sich wegen der auf der Nase angeschweißten Sonnenbrille auf dem stockdunklen Weg zur Bühne auch noch dauernd den Kopf anschlägt. Deshalb erleben wir am Ende, nach wunderbar-melancholischen, oft im adäquaten Walzertakt gehaltenen Schmerzensbotschaften mit Beserlschlagzeug noch den obligaten britisch-trockenen Humoreinbruch. Nach Liedern, die schon von ihren Titeln her keine Zweifel offenlassen, The Nights Are Cold Lonely Night , No Way Home , Cry A Tear For The Man In The Moon , Long Black Train (Bei Asterix bei den Briten müsste man jetzt sagen: Gute Güte!) kommt schließlich ein Licht daher: The Light At The End Of The Tunnel ... Allerdings: ... Was a Train Coming The Other Way . Richard Hawley ist mit Late Night Final jedenfalls eines der stillen Meisterwerke des letzten Jahres gelungen. Ausgewiesene Verehrer von Pulp kommen auf ihre vollen Kosten. Wahrscheinlich aber wird wieder niemand zuhören wollen. So sind sie nun einmal, unsere liebsten Songwriter, verbohrt bis zum geht nicht mehr. Wo man doch die getragenen Melodien ganz leicht durch Basstrommelschläge ersetzen und in die Hitparade kommen könnte. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 25. 1. 2002)