+ + + PRO Doris Krumpl Heutzutage hütet sich die versammelte Frauenschaft der West-Hemisphäre vor Hüten. Das Kopfputzzeug scheint Privileg für exaltierte Adels-Tussis und Queen Mum zu sein. Was wäre das britische Empire ohne die fliederfarbenen oder mintgrünen Deckel der Nation? Nichts! Was ist eine Frau ohne Hut? Zwar alles, aber mit coolem Hut einfach über-alles. Der richtige verhilft zu jeder Menge Glamour, in Kombination mit Sonnenbrille - und vielleicht ein paar anderen Dingen - zu einem gewissen Grad an Verruchtheit und Exzentrik, Marke Film Noir. Man wird doch noch träumen dürfen. Nicht mehr zeitgemäß? Das ist keine Entschuldigung! Erinnern wir uns mit Erröten an die allseits verpönten, einengenden Mieder, die in ihrer topmodischen Form den heutigen Frauen wieder zeigen, wo Gott wohnt - und ihre Mitte liegt. Letzte Saison war die nahezu jeden zum Idioten machende Flachkappe de rigueur . Und nur, weil sich, wie nicht nur der Kunsttheoretiker Beat Wyss feststellt, jetzt alle Erwachsenen wie Kinder anziehen (während es früher genau umgekehrt war), verzichten alle auf Hüte. Schuld daran ist eigentlich die Kosmetikindustrie. Sie produziert Shampoos, so supermilde, dass frau jeden Tag ihre Haare waschen darf - eine dieser schönen Errungenschaften unserer Zivilisation. So hat auch der Hut als Ersatz für "keine Frisur" und nicht täglich zweimal gewaschene, gebügelte und desinfizierte Haare ausgedient. Selbst "Bad Hair Days" werden schamlos zur Schau gestellt. Frau mit Hut, trotz allem? Hut ab!
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- - - CONTRA Gudrun Harrer Mit einem Satz ist ja eigentlich alles zum Thema gesagt: Wer von Kästen träumt, meint eigentlich weibliche Genitalien; Krawatten, Mäntel, Zeppeline und - ja, echt wahr - Damenhüte weisen hingegen aufs männliche Organ hin. Sage nicht ich, sagt der Herr Freud. Sollte man auch der Queen ausrichten - obwohl "Hüte" ja vielleicht nicht der korrekte Ausdruck sind für das, was sich auf deren weißen Löckchen abspielt, Kategorie englisches Gurkensandwich, mit spitzen Fingerchen zu den keuschen Lippen geführt, kein Platz für ein Dingsbums, wahrscheinlich sind deshalb die Ehen ihrer Kinder gescheitert. Aber das ist noch nicht alles. 1909 hat der US-Regisseur D.W. Griffith den Kurzfilm "Awful Hats" gedreht, in dem er üppig behütete Damen vom Greifer eines Krans aus dem Kino heben lässt. Die Weiber gingen fortan in die Kirche, einige davon Orchester spielen. "Die leidige Mode der übergroßen Damenhüte hemmte alle Aussicht auf den Director und brachte viele Fehler im Tact hervor", hieß es von einer Musik-Generalprobe aus dem Bremer Dom. Da waren etliche Vogelarten bereits ausgerottet. Ab einem gewissen Alter macht ein Hut alt, sagt eine Freundin am Telefon, die Frisur ist beim Teufel, sagt die andere. O ihr Unglücklichen, aus Euch spricht ganz klar die Sehnsucht der Kurzhaxlerinnen, die mit einem Hut noch bunkerter aussehen als normal. Reißt Euch zusammen. derStandard/rondo/25/01/2002