Welt
Deutschland hat die PISA-Studie noch immer nicht verdaut
Schüler wehren sich: "Nicht wir sind dumm, sondern das System"
Wien/Stuttgart - Nach den schlechten Ergebnissen der
deutschen Schüler bei der internationalen Vergleichsstudie PISA
(Programme for International Student Assessment) wehrt sich die
Bundesschülervertretung gegen Vorwürfe. "Es liegt nicht an unserer
Dummheit oder Faulheit. Wenn überhaupt, dann werden Dummheit und
Faulheit vom System produziert", schreibt Sebastian Schlüsselburg vom
Vorstand der Bundesschülervertretung in einem Beitrag für "Reader's
Digest". "Wir haben eine überwiegend rückwärtsgewandte Politik im
Bildungsbereich", kritisiert Schlüsselburg und nennt als Gründe
soziale Auslese und Elitenbildung. "Es darf nicht sein, dass ein
Jugendlicher aus einer Akademikerfamilie fünf Mal bessere Chancen
hat, das Abitur zu erlangen als ein Facharbeiterkind." Erschwerend
kämen die Schulzeitverkürzung und der Schwerpunkt auf den
mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächern hinzu. Schlüsselburg
nennt Finnland (einer der Testsieger bei PISA, Anm.) als Vorbild. "Da
drücken starke und schwache Schüler bis zur neunten Klasse gemeinsam
die Schulbank. So können sie viel voneinander lernen. Vor allem die
sozialen Kompetenzen werden gestärkt."
Ruf nach Reformen
Die BundesschülerInnenvertretung fordert die Abschaffung des
mehrgliedrigen Schulsystems - bestehend aus Hauptschule, Realschule,
Gymnasium und Sonderschule - zu Gunsten einer integrativen
Gesamtschule. Auch die Rolle der Lehrer müsse sich verändern: "Weg
vom bloßen Wissensindoktrinator, hin zu einem Lernbegleiter, der
Anreize gibt und uns auch individuell fördert", meint Schlüsselburg.
Schließlich verlangt der Schülervertreter mehr Mitsprache, wenn es um
die Qualität der Schule und der Bildung geht.
Indirekt bestätigt wird Schlüsselburg von einem PISA-Experten.
Rund zwei Drittel der deutschen Lehramtsstudenten könnten nach
Einschätzung von Jürgen Mayer zu Beginn ihres Studiums die bei der
Bildungsstudie gestellten Aufgaben für 15-Jährige nicht lösen. Das
sei seine Erfahrung mit Studenten des ersten und zweiten Semesters,
sagte der Biologie-Didaktiker am Mittwoch Abend. Mayer ist Mitglied
des deutschen Pisa-Expertenrats. Deutschland habe in den vergangenen
Jahren den Anschluss an die internationale Bildungsdiskussion
verloren, sagte Mayer. Eine konzertierte Aktion werde nach seiner
Schätzung mehr als fünf Jahre brauchen, um die Leistungsfähigkeit
deutscher Schulen im internationalen Vergleich deutlich zu
verbessern.
PISA
Mit dem bisher größten internationalen Schüler-Leistungstest PISA
werden über mehrere Jahre Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten der
Schüler in 31 Staaten am Ende der Schulpflicht untersucht. Im
Mittelpunkt stehen dabei das Leseverständnis als "Schlüsselkompetenz"
für weiteres Lernen sowie Mathematik und Naturwissenschaften. Zu den
Testsiegern gehörten Finnland, Japan und Südkorea. Österreich konnte
sich dabei im vorderen Mittelfeld platzieren, während die deutschen
Schüler nur unterdurchschnittliche Leistungen zeigten.
(APA)