Wien - Um die Steuer- und Abgabenquote in Österreich bis zum Jahr 2010 vom derzeitigen Rekordwert von 45,5 Prozent auf unter 40 Prozent zu senken, wie das die Regierung als zentrales Ziel formuliert hat, müssten ab 2003 jährlich Steuern im Ausmaß von rund zwei Milliarden Euro (27,5 Mrd. S) gesenkt werden. Insgesamt ergibt sich laut dieser Berechnung der Wirtschaftskammer zwischen 2003 und 2010 ein Einsparungsbedarf im Budget von 16 Mrd. Euro.

Zum Vergleich: Im EU-Durchschnitt liegt die Steuer-und Abgabenquote bei 41,7 Prozent, in den USA bei 29 und in Japan bei 27 Prozent. Kammerpräsident Christoph Leitl sagte: "Jede große Reise beginnt mit einer ersten Station. 2003 ist der Prüfstein, ob das Ziel 2010 zu schaffen ist. Wir müssen uns die Steuerreform leisten, sonst können wir uns bald nichts mehr leisten."

Sicherung des Wirtschaftstandorts

Die Senkung der weltweit an vierter Stelle rangierenden Steuer- und Abgabenquote Österreichs diene zur Sicherung des Wirtschaftsstandortes und sei unabhängig vom Konjunkturverlauf zu finanzieren. Als ersten Schritt im Jahr 2003 forderte Leitl eine einheitliche Betriebssteuer von 25 Prozent auf nicht entnommene Gewinne. Diese Steuer sollte für Kapital-, Personen- und Einzelgesellschaften gleichermaßen gelten. Die volle Einkommenssteuer würde erst bei Entnahme des Gewinnes aus dem Betrieb anfallen. So würde die Bildung von Risikokapital gefördert, denn heute sei jeder ein "Depp", der sein Geld nicht alternativ veranlage.

Die einheitliche Betriebssteuer würde dem Finanzminister einen Einnahmenausfall von 1,3 Mrd. Euro bei der Körperschafts- und Einkommenssteuer bescheren.

Darüber hinaus erinnerte Leitl einmal mehr an die von der Regierung zugesagte Senkung der Lohnnebenkosten. Rund eine Mrd. Euro sei hier das noch offene und versprochene Senkungsvolumen.

Wettbewerbsposition gefährdet

In diesem Zusammenhang verwies Leitl auf das Steueraufkommen 2001, bei dem etwa die Körperschaftssteuer um 61,3 Prozent gegenüber 2000 gestiegen ist, freilich zum Gutteil aufgrund der neuen Verzinsung von Steuerschulden. Leitl: "Die Regierung hat von unserem Tisch gegessen, jetzt kann sie nicht gehen, ohne zu zahlen."

Der Wirtschaftsforscher Karl Aiginger sagte, die deutsche Steuerreform habe deutliche Verbesserungen für nicht entnommene Gewinne gebracht, und acht weitere europäische Länder bereiteten Steuerreformen vor. Österreichs Wettbewerbsposition sei auch durch die ab 2007 entfallende EU-Regionalförderung gefährdet. Das Burgenland verliere seinen Status als Ziel-1-Fördergebiet, praktisch alle Beitrittsländer bekämen diesen Status. Aiginger: "Die verbleibenden fünf Jahre stellen die letzte große Chance dar, die Grenzstandorte zu stärken." Investitionen in Ausbildung, Forschung, Infrastruktur und neue Technologien seien dringender denn je. (miba, Der Standard, Printausgabe, 25.01.02)