Brüssel - Seitdem der italienische Premier Silvio Berlusconi
den euroskeptischen Chef der postfaschistischen "Nationalallianz"
(AN), Gianfranco Fini, als Vertreter seiner Regierung in den
Reformkonvent entsenden will, ist Feuer am Dach in den EU-Gremien.
Der Streit zwischen den Vertretern der 15 Mitgliedsländer wird durch
widersprüchliche Texte und mündliche Abmachungen beim EU-Gipfel von
Laeken genährt, wo der Konvent im Dezember 2001 beschlossen wurde.
In Laeken wurde die Zusammensetzung des Konvents mit gut 100
Mitgliedern aus Regierungen und Parlamenten der Mitglieds- und der
Kandidatenländer sowie EU-Parlament und EU-Kommission beschlossen.
Zugleich wurden der Franzose Valerie Giscard d'Estaing als Präsident
sowie der Italiener Giuliano Amato und der Belgier Jean-Luc Dehaene
als Vizepräsidenten ernannt.
Mündlich wurde vereinbart, dass diese
drei zugleich als Vertreter der Regierungen ihrer Staaten gelten
sollen. In den Schlussfolgerungen fand diese mündliche Vereinbarung
aber offenbar nur in der niederländischen Version, die als
Arbeitssprache Belgiens die Originalfassung ist, Niederschlag. In den
anderen Sprachen heißt es, dass alle 15 Staaten einen
Regierungsvertreter stellen sollen.
Berlusconi habe in einem Brief an Belgiens Premier Guy Verhofstadt
zwar die mündliche Vereinbarung bestätigt, berufe sich nun aber
dennoch auf jene schriftlichen Schlussfolgerungen, in denen allen
Mitgliedsländern ein Regierungsvertreter zugestanden wird, sagte ein
Diplomat am Freitag in Brüssel. Auch im Kreis der EU-Botschafter sei
die mündliche Vereinbarung nicht in Frage gestellt worden.
Bevor Berlusconi Fini als seinen Vertreter ernannte, habe es
dennoch als ausgemacht gegolten, dass Italiens Wunsch, wenn auch mit
Zähneknirschen, akzeptiert wird, da bei gut hundert Teilnehmern im
Konvent ein oder zwei mehr keinen Unterschied machen würden. Seitdem
aber der Name Fini gefallen ist, sei die Bereitschaft Berlusconi
entgegenzukommen spürbar zurückgegangen.
Berlusconi dürfte aber am längeren Ast sitzen, meint man in
Brüssel. Denn wenn er Fini trotz Widerstandes ernennen und nach
Brüssel schicken sollte, gebe es weder eine Rechtsgrundlage noch eine
Polizei, die Fini den Zutritt zum Saal verwehren könnte.
Nun müssen die Außenminister der EU-Länder am Montag in ihrer
monatlichen Ratstagung nach einem Kompromiss suchen. Da Berlusconi
vorerst auch das Außenamt übernommen hat, kann er seine Position den
"Amtskollegen" selber darlegen. Diese Doppelfunktion als
Regierungschef und Minister sei aber kein Novum und werde nicht zu
besonderen Privilegien für "Außenminister Berlusconi" führen, so ein
Diplomat. Auch Luxemburgs Premier Jean-Claude Juncker sitze seit
Jahren im EU-Finanzministerrat und für ihn "wird nicht in den roten
Teppich ein goldener Saum eingewebt".(APA)