Mensch
Diabetes, Zellteilung und Katalysatoren
Die Novartis-Preise wurden vergeben
Wien - Am
Freitag wurden mit den Novartis-Preisen 2001 - von ehemals je 100.000
Schilling auf je 10.000 Euro "aufgerundet" am Forschungszentrum des
Pharmakonzerns in Wien-Liesing für österreichische Wissenschafter
traditionell ehrenvolle und "lukrative" Auszeichnungen vergeben.
Ausgezeichnet wurden Forscher von der Universitätsklinik Wien am AKH,
vom Institut für Molekulare Pathologie (IMP) in Wien-Landstraße und
von der Universität Innsbruck. Die Preisträger und ihre Projekte:
"Diabetes: Am Anfang steht die Fettstoffwechsel-Störung", so
lassen sich die Arbeiten von Univ.-Prof. Dr. Michael Roden von der
Universitätsklinik für Innere Medizin III am Wiener AKH übertiteln,
für die dieser mit dem Novartis-Preis 2001 für Medizin ausgezeichnet
wurde. Das von ihm erforschte Leiden heißt im Volksmund zwar
"Zuckerkrankheit", doch nach neuesten Erkenntnissen dürfte am Beginn
- wenn nicht gar im Kern - des Typ-2-Diabetes (ehemals
"Altersdiabetes") weniger ein Defekt in der Verwertung von Zucker,
sondern eine Fettstoffwechsel-Störung stehen.
Roden: "Durch Studien an Tausenden gefährdeten Menschen konnte der
Nachweis erbracht werden, dass sich der Typ-2-Diabetes durch die
Behebung der größten Fehler in der Ernährung und durch regelmäßige
Bewegung zu 90 Prozent verhindern lässt." Demnach sind
Bewegungsmangel, zu viel Fett in der Ernährung und Übergewicht die
wichtigsten Ursachen des Typ-2-Diabetes.
Der Diabetologe untersuchte in Wien und bei einem
Studienaufenthalt an der Yale University School of Medicine (New
Haven, US-Bundesstaat Connecticut) sozusagen den Ursprung der
Erkrankung: "Am Beginn steht die so genannte 'Insulinresistenz'. Das
in den Beta-Zellen der Bauchspeicheldrüse produzierte Insulin wirkt
nicht mehr so gut, so dass weniger Zucker (Glukose) aus dem Blut in
die Muskeln aufgenommen wird. Wenn die Bauchspeicheldrüse nicht mehr
genügend Insulin freisetzen kann, steigt schließlich der
Blutzuckerspiegel an." Letzteres ist das klassische Zeichen von
Diabetes.
Ursachen für Insulinresistenz
Um die Ursachen für die Insulinresistenz zu bestimmen, verwendete
Roden modernste Methoden, zum Beispiel die
Magnetresonanz-Spektroskopie. Eine der wichtigsten Erkenntnisse, die
durch die Untersuchungen des Wiener Stoffwechselexperten belegt
werden konnten: Die Insulinresistenz, die Jahre vor dem Ausbruch des
Diabetes auftritt, entsteht vor allem durch ein Übermaß an freien
Fettsäuren, die durch die Ernährung aufgenommen werden.
Roden: "Früher hat man geglaubt, dass das von Muskelzellen
aufgenommene Fett erst in den Zellen den Zuckerstoffwechsel
behindert. Doch wir konnten nachweisen, dass erhöhte Konzentrationen
an Fettsäuren bereits den Transport der Glukose in die Zellen hinein
blockieren." Letzteres ist offenbar der entscheidende Faktor für die
Insulinresistenz, also die mangelnde Wirkung jenes Hormons, das dem
Körper die Verwertung des Blutzuckers erst ermöglicht.
Untersucht wurde das an gesunden Probanden, die kurzfristig
Fett-Infusionen erhielten. - Je höher die Fettsäuren-Konzentration im
Blut war, desto schneller und stärker trat auch die Insulinresistenz
auf. Der Wiener Wissenschafter: "An der Entstehung der
Insulinresistenz sind vor allem die aus der Ernährung stammenden
Triglyceride beteiligt, die aus Fettsäuren bestehen." 85 bis 90
Prozent der Typ-2-Diabetes-Erkrankungen wären somit auf den
Lebensstil zurückzuführen und somit prinzipiell verhütbar: Durch
weniger Fett im Essen und mehr Ausdauersport!
Biologie und Biochemie
Den Novartis-Preis 2001 für Biologie und Biochemie erhielt Dr.
Jan-Michael Peters vom Institut für Molekulare Pathologie (IMP) in
Wien. An dem von Boehringer Ingelheim in Wien-Landstraße betriebenen
Institut erforscht der Experte jene Mechanismen, die zur exakten
Aufteilung der Erbsubstanz bei der Zellteilung führen.
Peters: "Die eigentliche Frage, mit der wir uns in meiner
Arbeitsgruppe beschäftigen, lautet folgendermaßen: 'Welche
Mechanismen gewährleisten, dass nach der Zellteilung beide
Tochterzellen idente Kopien der DNA enthalten?'." Im Rahmen der
Zellteilung kommt es zunächst zur Verdoppelung der Erbsubstanz
(Synthese- oder S-Phase). Sie wird in die Chromosomen verpackt. Die
entstandenen Schwester-Chromatiden aber bleiben zunächst noch
aneinander geheftet. Erst in der so genannten Anaphase werden sie von
einander getrennt. Es entstehen Tochterzellen mit exakt gleichem
Erbgut.
Peters: "Bei den meisten Krebserkrankungen kann man eine ungleiche
Verteilung der Erbsubstanz bei der Zellteilung nachweisen. Das gilt
übrigens auch für das Down-Syndrom (Trisomie, 'Mongolismus')." Dazu
muss - so die Forschungsergebnisse - eine ganze Kaskade an
Ereignissen ablaufen: Zunächst wird der "Klebstoff", der die
Schwester-Chromatiden zusammen hält, abgebaut. Das erfolgt durch das
Enzym Separase. Zuvor müssen allerdings noch weitere
Sicherungsmechanismen - die Proteine Securin und APC (Anaphase
Promoting Complex) - beseitigt bzw. aktiviert werden. Könnte man
jedenfalls in fehl geleitete Zellteilungsprozesse eingreifen, wäre
das eine Möglichkeit für völlig neue Therapien gegen Krankheiten, die
auf diesen Mechanismen beruhen.
Chemie-Auszeichnung
Die Chemie-Auszeichnung ging schließlich an den Innsbrucker
Wissenschafter Univ.-Prof. Dr. Michael Buchmeiser für seine Arbeiten
zur Optimierung von Katalyse-Systemen in der Chemie.
Der Traum jedes Chemikers in der Synthese von Substanzen: eine
möglichst hohe Ausbeute und Reinheit der gewonnenen Stoffe. Oft muss
man sich dabei mit Katalysatoren behelfen, welche die gewünschten
Reaktionen erst ermöglichen oder fördern. Doch viele dieser
Anwendungen in der Synthese von Substanzen beherrscht man derzeit nur
durch Katalysatoren in "homogener Phase". Das bedeutet, dass man
diese in Lösung bringt und in dieser dann die gewünschten Reaktionen
stattfinden.
Das wirft laut Buchmeiser vom Institut für Analytische Chemie und
Radiochemie der Universität Innsbruck aber Schwierigkeiten auf:
"Viele der derzeit verwendeten Katalysatoren basieren auf Metallen
aus der Reihe der Übergangsmetalle wie zum Beispiel dem teuren
Palladium, Platin oder Iridium oder - billiger - Molybdän und
Ruthenium." Sie sind teuer und zum Teil toxisch.
Der Chemiker: "Die teuren Katalysatoren will man natürlich wieder
zurück gewinnen, um sie wieder verwenden zu können." Hoch stabile,
das Synthese-Produkt nicht belastende Katalysatoren bzw. -Systeme
sind daher der Wunschtraum vieler Synthese-Chemiker. Ein Ausweg
könnten andere Systeme sein. Der Chemiker, der sich auch speziell mit
Ruthenium- und Molybdänverbindungen als Katalysatoren beschäftigt,
arbeitet deshalb an der Entwicklung so genannter "heterogener
Katalysator-Systeme an fester Phase". Im Gegensatz zu den "homogenen"
Lösungen ("flüssige Phase") wird hier die katalytisch wirkende
Substanz an ein (z. B. "monolithisches") Material gebunden.
Buchmeiser: "Das klassische Trägermaterial ist Silika. Man kann
aber Katalysatoren auch an Polystyrol- oder Glaskügelchen binden."
Als besonders attraktiv haben sich in diesem Zusammenhang
"monolithische" Träger, das sind spezielle Materialien mit
definierter Porosität, erwiesen. Der Chemiker und sein Team haben
jedenfalls solche monolithische Träger für katalytisch wirkende
Stoffe selbst hergestellt und erproben sie derzeit.
(APA)