Es waren starke Aussagen, mit denen SPÖ-Vorsitzender Alfred Gusenbauer Freitag seine Parteifreunde konfrontierte. Sie wurden teilweise mit Kopfschütteln im Konferenzsaal im Tech Gate nahe der Wiener UNO-City aufgenommen. Denn Gusenbauer warf in seiner Grundsatzrede zur roten Wirtschaftspolitik so manches rote Dogma über Bord.

So versuchte er, den Genossinnen und Genossen den Begriff des Wettbewerbs schmackhaft zu machen. Dies anhand eines einleuchtenden Beispiels und durchaus mundgerecht aufbereitet. Der freie Markt ist laut Gusenbauer nicht in der Lage, Wettbewerb zu entwickeln. Vielmehr tendiert er zu Monopol- und Oligopolbildungen, was längerfristig erst recht wieder zulasten der Konsumenten geht. Als gutes Beispiel führte der SPÖ-Chef die Liberalisierung im Telekommunikationsbereich an, wo sich nach einer kurzen Phase des Wettbewerbs und somit sinkender Preise ein Oligopol auf europäischer Ebene abzeichnet. Die natürliche Folge sind wieder höhere Preise für die Konsumenten. Deshalb, so die These Gusenbauers, müssten gerade Sozialdemokraten an einem funktionierenden Wettbewerb interessiert sein und dafür eintreten.

Der SPÖ-Vorsitzende setzte noch eines drauf, indem er das linke Dogma vom Widerspruch zwischen Lohnarbeit und Kapital als "antiquiert" bezeichnete. Exzessive Gewinnmaximierung ist für ihn nicht aus ideologischen Gründen abzulehnen, sondern deshalb, weil sie "im Gegensatz zu den Interessen der investiven Realwirtschaft" steht.

Mit diesen neuen wirtschaftspolitischen Thesen hat Gusenbauer seine illustre rote Zuhörerschaft in Staunen versetzt und erstmals angedeutet, in welche Richtung die Sozialdemokratie nach dem Scheitern des dritten Wegs aufbrechen könnte.

(DER STANDARD, Printausgabe, 26.1.2002)