Nahost
USA brechen Vermittlungsmission ab
Washington Post: Zinni wird vorerst nicht in die Region zurückgeschickt - Scharfe Buh-Kritik an Arafat
Washington/Jerusalem/Ramallah - Die USA
haben ihren Druck auf die palästinensische Führungsspitze weiter
verstärkt. Wenige Stunden, nachdem US-Präsident George W. Bush dem
palästinensischen Präsidenten Yasser Arafat vorgeworfen hatte, nicht
genug gegen den Terrorismus vorzugehen, erlebte Israel am Sonntag den
dritten Selbstmordanschlag palästinensischer Extremisten innerhalb
von sechs Tagen. Dabei wurden im Zentrum von Jerusalem bis zu
90 Menschen zum Teil schwer verletzt. Israel machte Arafat dafür
verantwortlich und forderte von den USA Sanktionen gegen die
Palästinenser. Bush kritisierte Arafat so scharf wie noch nie zuvor. Er
beschuldigte ihn, Terrorismus zu fördern. Arafat, der seit Anfang
Dezember in Ramallah praktisch unter Hausarrest steht, rief
seinerseits Washington auf, sich stärker um eine friedliche Lösung
des Konflikts zu bemühen.
Zinni wird vorerst nicht in die Region zurückgeschickt
Nach einem Bericht der "Washington Post"
beschloss die US-Regierung, ihren Nahost-Sondergesandten Anthony
Zinni vorerst nicht in die Region zurückzuschicken. Arafats Berater
Nabil Abu Rudeina warnte die USA vor einem Abbruch der Beziehungen
zur palästinensischen Führung. Das würde ein "regionales Erdbeben" im
Nahen Osten auslösen, sagte er im palästinensischen Rundfunk.
Der israelische Ministerpräsident Ariel Sharon ist nach Angaben
seines Büros "zufrieden" über die US-Entscheidung, die
Vermittlungsmission Zinnis vorerst auf Eis zu legen. Aus Sharons Büro
verlautete, die Entscheidung reflektiere wachsenden Druck auf Arafat.
Aus dem Umkreis des israelischen Außenministers Shimon Peres
verlautete hingegen Kritik an der US-Entscheidung. Sie bedeute, dass
"die USA beschlossen haben, dass beide Seiten weiter bluten können",
zitierte die Zeitung "Haaretz" Peres nahe stehende Regierungskreise.
Sharon ist durch den dem israelischen Geheimdienst zur Last
gelegten Mord an dem libanesischen Ex-Minister Elie Hobeika in Beirut
erneut ins Zwielicht geraten. Der libanesische Staatspräsident Emile
Lahoud machte Israel für den Mord verantwortliche. Der frühere
christliche Milizführer sollte von der Teilnahme an einem belgischen
Justizverfahren gegen Sharon wegen Kriegsverbrechen abgehalten
werden. Hobeika-Vertraute sollen im Besitz von Dokumenten sein, die
Sharon im Zusammenhang mit den Massakern in den palästinensischen
Flüchtlingslagern von Sabra und Shatila 1982 belasten.
Israel hat Arafat die Teilnahme am Treffen der EU-Außenminister am
Montag in Brüssel untersagt. Arafat werde nicht in die belgische
Hauptstadt reisen, sagte Sharon-Sprecher Raanan Gissin. Er
bestätigte, dass Arafat den italienischen Ministerpräsidenten und
Außenminister Silvio Berlusconi ersucht hat, sich bei Sharon für eine
Ausreisegenehmigung einzusetzen. Der israelische Staatspräsident
Moshe Katzav hat Arafat vorgeworfen, zu antiisraelischen Anschlägen
zu ermutigen. Zwar gebe Arafat "Terroristen" keine Befehle, in
Festsäle einzudringen und das Feuer zu eröffnen, sagte Katzav der
spanischen Zeitung "La Vanguardia" (Sonntag-Ausgabe); aber in der
derzeitigen "Atmosphäre der Anstachelung zur Gewalt" ermutige er zu
Anschlägen und verleihe ihnen "Legitimität". (APA/Reuters)