Wien - In zwei, höchstens drei Jahren soll in Europas Börsenwelt nichts mehr sein, wie es war. Davon zeigte sich nicht nur Dirk Tirez, rechte Hand des Nasdaq-Europe-Chefs Jim Weber, überzeugt. Dem stimmten auch die Wiener Börsenvorstände Stefan Zapotocky und Erich Obersteiner - in seiner Funktion als Vorstand der Ostbörse Newex da - bei einer Diskussion zum Thema "Welche Börsen werden weltweit überleben?" zu. Das bedeute eine klare Marktkonsolidierung mit stark gestrafften Börsenstrukturen.

Das Erfreuliche für die Investoren: Das so genannte Settlement, die gesamte Abwicklung von Börsegeschäften also, wird billiger. Das wirkt sich vor allem aus, wenn Investoren länderübergreifend investieren. Denn gerade das macht das Börsengeschäft in Europa immer noch teurer als in den USA.

Dass sich die Dinge in Europa schnell ändern werden, ist für Nasdaq Europe ausgemachte Sache. Nicht umsonst hat die US-Technologiebörse Nasdaq die Brüsseler Wachstumsbörse Easdaq im Vorjahr übernommen und in Nasdaq Europe umgetauft. "Wir wollen nun ein weltumfassendes Haus bauen - von den USA über Europa bis nach Japan", sagte Tirez. Dort ist die Nasdaq präsent. Sie will durch eine Vereinheitlichung des Clearings - das ist die zentrale Abrechnung von Lieferungs-und Zahlungsforderungen aus den Wertpapiergeschäften - die Kosten extrem straffen und dabei Transparenz, Sicherheit und günstige Marktbedingungen garantieren.

Auch Zapotocky glaubt, dass in drei Jahren wohl nur noch drei bis vier Börsenplattformen in Europa übrig bleiben. "Wir in Wien sind eine regionale Nationalbörse." Und: "Die kleinen müssen Allianzen suchen." Was Wien über die Anbindung an das deutsche Xetra-System bereits getan habe.

Spezialitäten

Damit kann Wien auf 421 Teilnehmer aus 17 Ländern verweisen. Dahingehend sei auch die Ostbörse Newex, die zur Hälfte der Wiener Börse, zur Hälfte der Frankfurter Börse gehört, ein spezielles Angebot, sagte Newex-Vorstand Obersteiner.

Allein: Die beiden Börsen konnten sich nicht vom traditionellen Mangel an Liquidität lösen. So sagte Karl Tantscher, Vorstandschef von S&T - die Wiener Firma liefert in 14 Länder Computer- und Softwaresysteme, hauptsächlich für Regierungsorganisationen, Banken, Versicherungen und Telekomunternehmen -, sein Betrieb habe da seine Probleme. Denn mit 160 Millionen Euro Umsatz ist S&T nicht im Blickfeld der großen Fonds, und der Handel also nicht unbedingt berauschend, auch an der Newex nicht, wo der Titel seit Anfang November notiert. Zudem notieren die Wiener an der Nasdaq Europe. Der lahme Handel in S&T-Aktien an beiden Börsenplätzen bedeutet für den Anleger: Er kann das Papier nicht immer kaufen. Da sind die Market-Maker, sprich Banken, gefordert.

Zapotocky jedenfalls zeigte sich optimistisch: "Seit der Börsereform vor vier Jahren ist die Zahl der Aktienbesitzer in Österreich von vier auf 7,5 Prozent gestiegen. In vier Jahren wollen wir zwölf Prozent erreichen." Unter anderem will die Börse die Banken dazu bringen, ihren Kunden neben Investmentfonds auch Aktien anzupreisen.

Nur Kosten senken allein aber reicht nicht und kann auch nicht das Interesse der Anleger sein, meinte Anlegerschützer Wilhelm Rasinger. Er forderte die Einführung einer Börsenpolizei, die vollste Transparenz in den Börsengeschäften und damit die Anleger unterstütze, so zum Beispiel, wenn es um die Einhaltung der Spielregeln wie Veröffentlichung von Quartalszahlen geht. (Esther Mitterstieler, Der Standard, Printausgabe, 28.01.02)