"Waffen bestellen gehört nicht zum Kampf gegen den Terror": Wer könnte US-Präsident George Bushs Vorwürfen gegen den als Januskopf bekannten Palästinenserpräsidenten Yassir Arafat ernsthaft widersprechen? Zwar verweist die New York Times, nicht gerade das palästinensische Zentralorgan, darauf, dass ein US-Offizieller später Bushs Wutausbruch gegen Arafat dahingehend abmilderte, dass Bush nicht diesen "persönlich" beschuldige, sondern "die höchste Ebene der Palästinenserbehörde". Aber erstens sind die beiden identisch, zweitens klangen Bushs Worte nicht danach, als hänge er dem Glauben an, Arafat sei von den eigenen Leuten hintergangen worden, und drittens ist es bei diesem einen unbekannten "White House Official", der Arafat in Schutz nahm, geblieben. Man kann also davon ausgehen, dass die Amerikaner Arafat für schuldig halten, von der Bestellung von 50 Tonnen Waffen, die per Schiff nach Gaza transportiert werden sollten, zumindest gewusst zu haben und zu diesem Zweck - und das macht einen nicht geringen Teil des US-Ärgers aus - mit Kreisen in Iran und offensichtlich auch der libanesischen Hisbollah, also einer auf der US-Terrorismusliste stehenden Organisation, kooperiert zu haben. Auf diese Liste wird jetzt auch die Fatah-Gruppe "Al-Aqsa-Märtyrer" kommen, vielleicht auch Arafats Eliteeinheit "Force 17" - und dann ist der direkte Terrorismusvorwurf schon sehr nahe am Palästinenserchef selbst. Die USA haben vorige Woche auch ihren arabischen Partnern Beweise vorgelegt, das Schweigen, das aus Riad und Kairo kam, als Arafat dringend um Unterstützung bat, war beredt. Erst ein paar Tage später warnte der saudische Geheimdienstchef Prinz Nawwaf die USA eindringlich davor, Arafat fallen zu lassen, Saudi-Arabien - wo US-Truppen stationiert sind - käme dadurch in eine sehr schwierige Position. Gemeint ist natürlich, dass die Wut auf die Amerikaner, würden sie Arafat mit Sanktionen belegen, in der Region noch größer würde - laut einer saudischen Geheimdienststudie hegen angeblich 95 Prozent der gebildeten 25- bis 41-Jährigen im wahhabitischen Königreich Sympathien für Osama Bin Laden, ein vernichtender Befund auch für das saudische Königshaus, das zu Bin Ladens größten Feindbildern gehört. Andererseits - und das mag bei Bushs hartem Auftreten gegen Arafat mitspielen - haben gerade die letzten Wochen und Monate den Amerikanern gezeigt, dass sie auch keine übergroßen Ängste vor der "arabischen Straße" zu hegen brauchen: Die erwarteten Massendemonstrationen und Unruhen während des Afghanistan-Krieges sind ausgeblieben, die arabischen und islamischen Regierungen haben - zumindest nach außen hin - alles gut im Griff. Ob die USA, wie spekuliert, tatsächlich sogar die Beziehungen zu Arafat total abbrechen könnten, war am Wochenende noch unklar, ihren Nahostvermittler Anthony Zinni behalten sie jedenfalls erst einmal zu Hause. Die große Zufriedenheit Ariel Sharons, der sich nach Angaben seiner Umgebung hocherfreut zeigte, darüber nimmt jedoch, euphemistisch gesagt, mehr als wunder - war doch das deklarierte Ziel der Zinni-Mission, die Gewalt zu beenden. Es gibt eben auf beiden Seiten nicht deklarierte Agenden. Dass die Diskussion, was die Amerikaner machen, worüber sich Sharon freut und was Arafat weiß, an der gelebten Realität, mit der die Menschen im Nahen Osten fertig werden müssen, vorbeigeht, zeigt das jüngste in der Reihe der palästinensischen Selbst- mordattentate, diesmal in Jerusalem. Durch ihren Rückzug bestrafen die USA nicht etwa nur die Palästinenser, wie sie vielleicht glauben, indem sie eine israelische Politik sanktionieren, die nach militärischer Logik verständlich sein mag, aber weder Sicherheit bringt noch Zukunftsperspektiven hat. Im Grunde genommen lässt Washington auch die Israelis, die weiter bei Anschlägen sterben werden, allein. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 28.1.2002)