Die dramatische Zuspitzung der Auseinandersetzung zwischen Silvio Berlusconi und der Justiz hat einen konkreten politischen Hintergrund. In Mailand wird der "Prozess der Prozesse" verhandelt; standfeste Staatsanwälte werfen dem Premierminister vor, einen Richter bestochen zu haben. Dieser Richter habe nach hohen Zuwendungen aus dem Berlusconi-Imperium den Verkauf des staatlichen Lebensmittelkonzerns SME an einen Berlusconi-Konkurrenten gestoppt.Als Nächstes wollen die aufmüpfigen Richter auch klären, wie Berlusconi denn in den Besitz des Verlagskonzerns Mondadori gekommen ist. Auch hier ist der Vorwurf derselbe: Korruption. Die Geschichten liegen schon ein gutes Jahrzehnt zurück, durch diese Prozesse wird aber eines durchleuchtet - der wirtschaftliche Aufstieg des Silvio Berlusconi, der Jahre später erst seinen politischen Aufstieg ermöglichte. Für den Herrn Premierminister stellt sich die Sache so dar: "Kommunistische Richter" wühlen in der Geschichte, um ihn zu diskreditieren. Und der Justizminister sagt, Richter sollen Urteile fällen und sich nicht in die Politik einmischen. Genau dies versuchen die Mailänder Richter, können es aber nicht tun. Seit Jahren behindern Berlusconis Anwälte die Prozesse. Der vom Premier höchstpersönlich auf ein immunes Abgeordnetenmandat gehievte Hauptakteur in den Verfahren, Cesare Previti, verteidigt sich nicht, sondern entzieht sich durch alle erdenklichen Tricks der Justiz - dies sei nur ein politischer Prozess gegen Berlusconi. Was tun, wenn Berlusconi tatsächlich verurteilt würde? Ein politisches Erdbeben könnte die Folge sein, denn auch innerhalb des Rechtsbündnisses wird offen über einen möglichen Rücktritt des Premiers bei einem etwaigen Schuldspruch diskutiert. Die Devise für Berlusconi kann also nur lauten: Der Angriff auf die "roten Richter" ist die beste Verteidigung. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 28.1.2002)