Lifestyle
Trinkgeldfalle (IV)
Leser Norbert K. und seine Kollegen können den Euro nicht leiden. Sie arbeiten als Kellner bei einem Wiener Nobelheurigen, dort lernt man das.
Anscheinend war ich nämlich der erste und einzige Österreicher, dem es seit der Umstellung gelungen ist, in einem Restaurant zu viel Trinkgeld zu geben. Der Rest der Gäste gibt entweder a) zu wenig oder b) deutlich zu wenig oder - aus Angst zu viel zu geben c) gar nichts.Immerhin: Langsam spricht sich herum, dass es unbedenklich ist, sich nach einer anständigen Mahlzeit von zwei, drei dieser mit freiem Auge kaum sichtbaren kupferfarbenen Plättchen zu befreien, deren 1er- oder 2er-Köpfe darauf hindeuten, dass es sich dabei schon um rudimentäre Vorstufen von Münzen handelt.
Stündlich mehr Österreicher wagen auch bereits, auf ein "Sechs-Euro-Fünfunddreißig" des Zahlkellners ein augenzwinkernd-gönnerisches "Sechs-Euro-Vierzig" loszulassen.
Faustregel in der jungen Euro-Gastronomie: Besonders knausrig sind ältere, zahlungskräftige Menschen. Je jünger die Gäste, desto großzügiger - allerdings konsumieren sie nichts. Am meisten würden jene geben, die kein Geld haben. Wie im Leben.
(DER STANDARD, Printausgabe vom 28.1.2002)