Wien/New York - Das lange Warten der betagten NS-Opfer hat ein Ende: die im Restitutionspaket vor einem Jahr in Washington beschlossenen Sozialleistungen werden nun von der Rechtssicherheit entkoppelt und bereits mit Anfang März wirksam. Möglich wird dies durch eine entsprechende parlamentarische Initiative, die von allen vier im Nationalrat vertretenen Parteien unterstützt wird. Nötig ist die Änderung der betreffenden Passage im Entschädigungsfondsgesetz. Weniger Erfreuliches war am Montag dagegen von der Klagsfront zu hören: eine Status-Konferenz zur Klage des US-Anwalts Jay R. Fialkoff, die für diesen Mittwoch in New York angesetzt war, wurde abgesagt. Die freudige Botschaft der Freigabe der Sozialleistungten wurde Montag Vormittag von den beiden Klubchefs der Regierungsparteien, Andreas Khol (V) und Peter Westenthaler (F), verkündet. Khol verwies auf das hohe Alter der Betroffenen, Westenthaler sprach von einer "Geste der Menschlichkeit". Die Sozialleistungen umfassen im Wesentlichen zwei Maßnahmen: die Auszahlung von höheren Pflegegeld-Stufen sowie die Möglichkeit des Nachkaufs von Pensionsmonaten. Im Entschädigungspaket wurde von einem dafür nötigen Betrag von 112 Mill. Dollar (nach dem am 24. Oktober 2001 fest gelegten Kurs: 1,8 Mrd. S/130,8 Mill. Euro) ausgegangen. Dringender Bedarf besteht vor allem bei der ersten Maßnahme, also dem Pflegegeld. Von Regierungsseite geht man von rund 13.000 Menschen aus, die einen Antrag stellen werden. Schüssel begrüßt Entkoppelung Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (V), der sich derzeit in Moskau aufhält, begrüßte Montag Abend in einer Aussendung die Entkoppelung des Sozialpakets von der Rechtssicherheit. "Wir haben uns entschlossen, diesen Menschen zu helfen. Und die Zeit läuft uns davon", so der Kanzler. Auch Nationalratspräsident Heinz Fischer (S) zeigte sich erfreut. Mit dem Beschluss werde verhindert, dass hoch betagte Opfer des Nationalsozialismus sterben, bevor die ihnen im Prinzip zugesagte Neuregelung des Pflegegeldes wirksam werde. Moshe Jahoda, Vertreter der jüdischen Opferorganisation Claims Conference in Österreich, begrüßte diese jüngste Entwicklung ebenfalls. "Wir schätzen diese gute menschliche Tat, die hier vollbracht wurde. Es ist die Gerechtigkeit für Menschen, die in der Vergangenheit viel Ungerechtigkeit erdulden mussten", so Jahoda. Und der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG), Ariel Muzicant, sagte, die IKG freue sich, "dass damit ein ganz wesentlicher Beitrag zur Beendigung der Streitigkeiten erbracht wurde". Nur mehr ganz wenige offene Punkte Der IKG-Präsident betonte zudem, was die Verhandlungen mit den Ländern über Entschädigung des unter den Nationalsozialisten zerstörten Gemeindeeigentums betreffe, gehe es nur mehr um einzelne Formulierungen im Vertragstext. Damit gebe es - nach dem großen Schritt der Entkoppelung der Sozialleistungen - nur mehr "ganz wenige offene Punkte zwischen uns und der Republik". Die IKG werde sich daher bemühen und versuchen mitzuhelfen, die Fialkoff-Klage wegzubekommen. Einen Termin gibt es bereits in der zweiten noch gegen Österreich anhängigen Klage, jener des US-Anwalts Herbert L. Fenster. Diese wird am 23. April von Richter William Bassler verhandelt, eine Abweisung scheint wahrscheinlich. Nur wenn jedoch beide Klagen abgewiesen sind, besteht Rechtssicherheit, und das gesamte Entschädigungspaket kann greifen. Neben den Sozialleistungen und den bereits vorgezogenen Zahlungen für entzogene Mietrechte ist dies der "Entschädigungsfonds", der mit 210 Mill. Dollar (nach Kurs vom 24. Oktober 2001 rund 3,5 Mrd. S/254 Mill. Euro) gefüllt wird. Aus ihm sollen größere Vermögensentzüge entschädigt werden. (APA)